Neapel – wo Hoffnung leuchtet

Ein Stadtviertel, das durch Glaube, Gemeinschaft und kreative Jugend neu aufblüht

Ein Reisebericht von Petra und Paolo Groben-Moretti, Unterstützer des Portals „WIR IM NETZ – Kultur und Glaube Aktuell von Anbeginn an

Die Kirche Santa Maria Maddalena ai Cristallini. Foto: Petra Groben-Motetti
Die Kirche Santa Maria Maddalena ai Cristallini. Foto: Petra Groben-Motetti

22.06.2025

 

Liebe Leserinnen und Leser,

wir schreiben Euch heute aus Neapel – einer Stadt, die uns schon oft überrascht hat. Doch was wir diese Woche durch einen glücklichen Zufall erleben durften, hat uns tief bewegt und nachhaltig beeindruckt. In einem der ärmsten und lange Zeit gefährlichsten Viertel Italiens, dem Rione Sanità (1) , haben wir ein Licht entdeckt: „LUCE“ – so nennt sich ein außergewöhnliches Projekt, das jungen Menschen, Geschichte und Glaube auf wunderbare Weise miteinander verbindet. Davon wollen wir Euch erzählen.

 

 

Vom Dunkel ins Licht: Ein Viertel wird neu geboren

Wir schlenderten ohne großes Ziel durch Neapel, als wir plötzlich vor einem Ort standen, der eine andere Geschichte zu erzählen schien. Eine Geschichte, die von Hoffnung, Gemeinschaft und dem festen Glauben an Wandel berichtet. Hier, wo einst Armut, Kriminalität und Perspektivlosigkeit den Alltag bestimmten, wirkt heute eine Bewegung junger Menschen, die ihr Viertel nicht aufgeben wollen.

 

Im Herzen des Projekts stehen zwei Kooperativen: die Cooperativa La Paranza, gegründet 2006, und die jüngere Cooperativa La Sorte. Beide wurden initiiert und begleitet von einer außergewöhnlichen Persönlichkeit: Don Antonio Loffredo, dem langjährigen Pfarrer von Sanità (2001–2022). Er war es, der jungen Menschen Perspektiven eröffnete, sie ermutigte, ihre Talente zu entfalten und Verantwortung für ihr Viertel zu übernehmen. Seine Vision: Nicht weggehen, sondern die Stadt verändern – aus dem Glauben heraus, mit Herz, Mut und der Kraft der Gemeinschaft.

 

 

Katakomben als Quelle der Hoffnung

Die Kooperative La Paranza begann bereits 2006 damit, die fast vergessenen Katakomben von San Gaudioso und San Gennaro zu restaurieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Was mit wenigen Besuchern begann, ist heute ein touristisches wie soziales Erfolgsmodell:

über 200.000 Besucher bis 2022, über 50 neue Arbeitsplätze, ein ganzer Stadtteil im Aufbruch. Der Erlös aus den Führungen fließt in Bildungsprojekte, Restaurierung und neue Initiativen. Über die Jahre entstand daraus ein Modell sozialer Innovation, das inzwischen Nachahmer in ganz Italien findet.

 

Doch was uns besonders beeindruckt hat: Dieses Projekt basiert nicht auf Profit, sondern auf christlichen Werten. Die jungen Menschen, die sich hier engagieren, schöpfen ihre Motivation aus einem tiefen Glauben – an Gott, an Gemeinschaft, an Veränderung. Wie es auf ihrer Website so schön heißt:

 

 

„Hope has two beautiful daughters: Anger and the Courage to see that things do not remain the way they are.“  ("Die Hoffnung hat zwei wunderschöne Töchter: Wut und den Mut zu sehen, dass die Dinge nicht so bleiben, wie sie sind." - nach Augustinus)

LUCE – ein Lichtstrahl für Sanità

Die Kirche Santa Maria Maddalena ai Cristallini. Foto: Petra Groben-Motetti
Die Kirche Santa Maria Maddalena ai Cristallini. Foto: Petra Groben-Motetti

Das Teilprojekt LUCE (italienisch für „Licht“) trägt diesen Geist weiter. Gefördert von der Stiftung Con il Sud und der San Gennaro Community Foundation, konnte kürzlich die Kirche Santa Maria Maddalena ai Cristallini nach Jahrzehnten des Verfalls wiedereröffnet werden.

Träger dieser neuen Initiative ist die Kooperative La Sorte, gegründet von einer Gruppe von zwölf jungen Frauen und Männern zwischen 22 und 28 Jahren, die aus dem Viertel stammen. Sie haben ein Ausbildungsjahr durchlaufen, organisiert von La Paranza, und setzen nun selbst Impulse für den Wandel – durch Führungen, Bildungsarbeit und Begegnungen zwischen Touristen und Einheimischen.

 

Aus Zuschauern werden Gestalter

„Wir waren immer nur Zuschauer des Wandels“, sagt Emanuele Russo, Präsident von La Sorte. „Jetzt sind wir selbst Teil davon. Wir wollen etwas zurückgeben.“ Diese jungen Menschen sind keine Idealisten ohne Bodenhaftung. Sie wissen, dass nachhaltiger Wandel Geduld, Arbeit und Liebe braucht. Und sie wissen, dass das kulturelle und religiöse Erbe ihres Viertels ein Schatz ist, der nicht nur Touristen anzieht, sondern Herzen verändert.

 

Besonders beeindruckt hat uns der Besuch in der Kirche Santa Maria Maddalena ai Cristallini, die jahrzehntelang geschlossen war und nun in neuem Glanz erstrahlt. Ihre Gestaltung spricht von Identität, Gemeinschaft und Mitmenschlichkeit – und sie erzählt die Geschichte von Sanità auf künstlerisch und spirituell eindrucksvolle Weise:

 

  • Das Azurblau, das den Innenraum in über 20 verschiedenen Schattierungen durchzieht, wurde von 60 Jugendlichen aus dem Viertel aufgetragen. Es steht nicht nur für Hoffnung, sondern auch für die Fußballleidenschaft der Stadt – als Farbe des SSC Neapel, der gerade seinen vierten Meistertitel feierte. Identität zum Anfassen.
  • Die Fahnen mit Gesichtern, die in der Kirche wehen, zeigen Menschen aus dem Viertel– keine Ikonen, sondern Nachbarn, Verwandte, Freunde. Ein starkes Symbol für das „Wir“, das hier gelebt wird.
  • Der Altar, geformt wie ein Boot, besteht aus dem Holz gestrandeter Flüchtlingsboote aus Lampedusa. Er wurde von Gefängnisinsassen gemeinsam mit Architekturstudierenden gefertigt – ein starkes Zeichen für Solidarität, Mitmenschlichkeit und Erlösung.

 

Chiesa di Santa Maria Maddalena ai Cristallini

Via dei Cristallini 73

80137 Neapel

 

Freier Eintritt, jeden Morgen von 10 bis 13 Uhr geöffnet Für Führungen: https://catacombedinapoli.it/it/eventi/bozza-automaticalux-in-fundo-napoli/

 

Liebe, die Hoffnung nährt

Für uns war der Besuch ein unvergessliches Erlebnis. Nicht, weil alles perfekt ist – sondern weil hier etwas wahrhaft Neues wächst: ein Glaube, der anpackt, eine Liebe, die gestaltet, und eine Hoffnung, die leuchtet.

 

Tief berührt hat uns die Mischung aus konkreter Tat und spiritueller Verwurzelung. Hier begegnen sich Glauben und Alltag. In einem alten Kloster, das heute als Casa del Monacone Gäste beherbergt, kommen Pilger und Besucher mit den jungen Gastgebern ins Gespräch. Es ist ein Ort der Begegnung, der Würde und der Hoffnung – geboren aus der Überzeugung, dass kein Viertel, kein Mensch und kein Ort jemals ganz verloren ist.

 

Wir haben diesen Tag in Sanità nicht nur als Besucher erlebt, sondern als Lernende. Was wir dort gesehen haben, war gelebter Glaube in Aktion – und eine konkrete Antwort auf die Frage, wie aus Hoffnung tatsächlich Licht werden kann.

 

Mit herzlichen Grüßen aus Neapel –
Petra & Paolo Groben-Moretti

 

Kontakt & Mehr zum Projekt:
https://catacombedinapoli.it/en/about/
Cooperativa La Paranza & Cooperativa La Sorte


E-Mail: info@lasorte.it

 

(1): Sanità ist ein Stadtviertel (Rione) der Stadt Neapel im Stadtteil Stella.

 Das Viertel Sanità grenzt im Süden Neapels direkt an die Altstadt, hier befinden sich an der Via Foria gelegen das Archäologische Nationalmuseum Neapel und die Piazza Cavour. Sanità gilt als ein traditionelles und ursprüngliches Viertel Neapels. Es bildete die Kulisse für zahlreiche Filme, wie Das Gold von Neapel und Gestern, heute und morgen. (Quelle: Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Sanit%C3%A0)


AutorInnen: Petra & Paolo Groben-Motetti; zusammengestellt von Gert Holle -22.06.2025