Hadley Vlahos: Zwischen den Welten

Berührende Geschichten über das Lebensende

Foto: Kösel Verlag
Foto: Kösel Verlag

9.09.2024

 

Was passiert am Lebensende? Sehen wir unser Leben wie »einen Film« vor unseren Augen? Vielleicht einen Tunnel? Hospizpflegerin Hadley Vlahos hat schon viele Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet und weiß: Wir sterben so individuell, wie wir gelebt haben. Aber es gibt dieses Dazwischen, den Raum, in dem sich Leben und Tod berühren.

 

Da ist etwa Ms Glenda, die von ihren Liebsten »drüben« bereits erwartet wird. Oder Mr Carl, der sich erst am Lebensende von seinen Selbstvorwürfen frei machen kann. Oder Mr Albert, der als Obdachloser bei seinen Freunden unter der Brücke bleiben will. Und von Ms Sandra lernen wir: Vielleicht haben wir doch Kontrolle darüber, wann wir den Schritt hinüber in die Anderswelt wagen.

Foto. Mark Smith
Foto. Mark Smith

 

Hadley Vlahos ist examinierte Krankenschwester und Fachkrankenpflegerin für Hospizpflege, außerdem Mutter, Ehefrau und TikTok-Star. Als @nursehadley erzählt sie in den sozialen Medien über ihre Arbeit und inspiriert damit Millionen Follower. Sie begann ihre Ausbildung zur Krankenschwester mit Anfang zwanzig. Als sie ungeplant schwanger wird sucht einen Job, um über die Runden zu kommen. Sie bildete sich weiter und arbeitet inzwischen ausschließlich in der Palliativpflege. Sie lebt in der Nähe von New Orleans, Louisiana.

 

 

HADLEY VLAHOS

ZWISCHEN DEN WELTEN

Was ich als Hospizschwester über die Grenze zwischen Leben und Tod gelernt habe

Kösel Verlag (Penguin Random House Verlagsgruppe),

288 Seiten,

ISBN 978-3-466-37327-7

€ 22,00

 

Berufung Palliativpflegerin: Erlebnisse zwischen den Welten

Dieses Buch ist eine Entdeckung. So wie diese Hospizschwester vom Sterben erzählt, ist es alles andere als deprimierend, es ist erstaunlich. 12 Menschen und ihre Geschichten stellt die amerikanische Hospizschwester Hadley Vlahos vor, und man erfährt unaufdringlich und zugewandt von den letzten Erlebnissen ihrer Patienten.  

Auch die Autorin selbst ist Teil dieser Geschichten. Man lernt sie in ihrem eher weg-geschwiegenen Beruf kennen und erfährt einiges über ihre Motivation: „In der Schwesternschule lernt man, wie man Patientinnen und Patienten heilt – oder es zumindest versucht. Aber nicht, wie man ihnen ein Gefühl der Geborgenheit gibt.“ Sie lernt genau das nach ihrem Examen als Krankenschwester mit Hingabe. Und es ist beglückend von einer jungen Frau zu lesen, die damit ihre Berufung gefunden hat.  

»Sanft, erfrischend direkt …“ urteilt die New York Times zurecht über dieses Buch, das in den USA ein Bestseller ist.

 

„Dieses Buch ist Balsam für die Seelen aller Menschen in der Pflege. Wir alle werden krank, wir alle müssen sterben -das zu wissen, tut weh. Aber dank wunderbarer Pfleger*innen wissen wir: Wir sind nicht allein.“ Franziska Böhler, Krankenschwester und Spiegel-Bestsellerautorin

 

 

Sie sind Engel

 

Hadley Vlahos erzählt in ihrem anrührenden Buch 12 Geschichten über Patienten, deren Ende nach Urteil der Krankenhausärzte nahe ist. Sie verbringen die letzten Tage, Wochen oder Monate in der Geborgenheit ihres Zuhauses mit ihren Lieben. Und sie werden begleitet von Menschen wie Hadley Vlahos, die gelernt haben, mit dieser Situation umzugehen und diesen Weg gemeinsam mit ihren Patienten zu gehen. Es sind berührende Geschichten, die davon Zeugnis ablegen, dass Hadley Vlahos als professionelle Hospizschwester von ihren Patienten auch reichlich beschenkt wird. Sie schildert Augenblicke der Ehrfurcht, in denen man innehält und über den Sinn, der in allem zu liegen scheint, nachdenkt. Und sie teilt mit den Leserinnen und Lesern, was sie über die Grenzen zwischen Leben und Tod dabei gelernt hat. – Ein absolut inspirierendes Buch von einem „Engel“, der über ein Thema schreibt, das nur allzu oft in einer hektischen und auf Konsum orientierten Welt verdrängt wird. – Gert Holle, Herausgeber und leitender Redakteur von „WIR IM NETZ – Kultur und Glaube Aktuell“ / www.wirimnetz.net

 

 

You are his angel

Not a topic anyone ever wanted to sing about,

but the desperation is great.

You talk but no one listens because,

it is not a topic that anyone sings about or even speaks about in hushed tones.

 

You are there for him around the clock –

for years.

You give back what you got

In childhood.

You bathe him every Saturday,

because he can no longer do it himself.

You cut his nails, sometimes his beard too.

 

His hand is shaking,

spills the tea you prepare for him.

Your hair turned gray.

You don't know how long your strength will last,

but you are glad that it works somehow

with your father, whom you love.

 

Not a topic anyone ever wanted to sing about,

but the desperation is great.

You talk but no one listens because,

it is not a topic that anyone sings about or even speaks about in hushed tones.

 

You play “Sorry” with him.

You go for a walk with him,

to the cemetery and back.

The memories leave him.

You accompany him on his long journey at night.

You are his angel who stays by his side.

Even if others say: Get out of the dark valley.

 

Not a topic anyone ever wanted to sing about,

but the desperation is great.

You talk but no one listens because,

it is not a topic that anyone sings about or even speaks about in hushed tones.

 

You put him to bed in the evening and wake him up in the morning.

And sometimes he makes a joke out of the blue and you laugh.

He is there and sometimes distant again.

Emotions are on a roller coaster.

He is your father and you look forward to every day.

But you know that the day is not far off when he could die.

 

Not a topic anyone ever wanted to sing about,

but the desperation is great.

You talk but no one listens because,

it is not a topic that anyone sings about or even speaks about in hushed tones.

 

(Lyrics by Gert Holle – 27.10.2023)

 

Du bist sein Engel

Kein Thema, über das irgendjemand jemals singen wollte,

aber die Verzweiflung ist groß.

Du sprichst, aber niemand hört zu, weil,

es ist kein Thema, das irgendjemand besingt oder auch nur mit gedämpfter Stimme darüber spricht.

 

Rund um die Uhr bist Du für ihn da –

seit Jahren.

Du gibst zurück, was Du bekamst

In Kindertagen.

Du badest ihn jeden Samstag,

weil er es selber nicht mehr kann.

Du schneidest ihm die Nägel, manchmal auch den Bart.

 

Seine Hand zittert, verschüttet den Tee,

den Du für ihn bereitest.

Deine Haare wurden grau.

Du weißt nicht, wie lange Deine Kraft noch reicht,

doch Du bist froh, dass es irgendwie geht

mit Deinem Vater, den Du liebst.

 

Kein Thema, über das irgendjemand jemals singen wollte,

aber die Verzweiflung ist groß.

Du sprichst, aber niemand hört zu, weil,

es ist kein Thema, das irgendjemand besingt oder auch nur mit gedämpfter Stimme darüber spricht.

 

Du spielst mit ihm „Mensch-ärgere-Dich-nicht“.

Du gehst mit ihm spazieren,

zum Friedhof und zurück.

Die Erinnerungen verlassen ihn.

Du begleitest ihn auf seiner langen Reise in der Nacht.

Du bist sein Engel, der an seiner Seite bleibt.

Auch wenn andere sagen: Raus aus dem dunklen Tal.

 

Kein Thema, über das irgendjemand jemals singen wollte,

aber die Verzweiflung ist groß.

Du sprichst, aber niemand hört zu, weil,

es ist kein Thema, das irgendjemand besingt oder auch nur mit gedämpfter Stimme darüber spricht.

 

Du bringst ihn abends ins Bett und weckst ihn morgens auf.

Und manchmal macht er aus heiterem Himmel einen Witz und du lachst.

Er ist da und manchmal wieder distanziert.

Die Gefühle fahren Achterbahn.

Er ist dein Vater und du freust dich über jeden Tag.

Aber Du weißt, dass der Tag nicht mehr fern ist, an dem er sterben kann.

 

Kein Thema, über das irgendjemand jemals singen wollte,

aber die Verzweiflung ist groß.

Du sprichst, aber niemand hört zu, weil,

es ist kein Thema, das irgendjemand besingt oder auch nur mit gedämpfter Stimme darüber spricht.

 

(Worte von Gert Holle – 27.10.2023)


Autor: Kösel Verlag; zusammengestellt von Gert Holle - 9.09.2024