Angedacht: Seid mutig, wagt etwas!

Foto: canva.com
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Angedacht: Seid mutig, wagt etwas! – von und mit Gert Holle

 

Wenn zwei oder drei Menschen zusammenkommen, ist es normal, dass früher oder später Meinungsverschiedenheiten auftauchen und sich unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse zeigen. Daraus erwachsende Konflikte werden in der Regel nach der Methode „Die Kraft des Stärkeren siegt“ beendet. Meist sind die Konflikte dabei nicht wirklich gelöst, sondern nur übertüncht, stillgelegt.

 

Ich denke: Frieden ist dort, wo Menschen lernen, auf richtige Weise zu streiten und Konflikte angemessen auszutragen. Gewaltfrei, im Hören auf die Andere, im Wahrnehmen der berechtigten Anliegen des Anderen. Im wechselseitigen Respekt. Unser Leitbild der Demokratie lebt davon, dass wir uns gegenseitig als Freie und Gleiche anerkennen. Wo das gelingt kann man miteinander streiten um das, was uns wirklich wichtig erscheint. Dies ist das Gegenteil von Gleichgültigkeit oder Rückzug in die nur privaten Angelegenheiten.

 

Gerade in einer Zeit, in denen Scharfmacher Konflikte anheizen, ist es angeraten, Wege zu suchen, den Frieden zu wahren. Es braucht Mut, Stellung zu beziehen, Haltung zu bewahren.

Es braucht Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Mut, einfach die Wahrheit auszusprechen. Mut, einer Übermacht die Stirn zu bieten. Mut, die Dinge anders zu sehen. Mut zur Umkehr. Es braucht Mut, etwas Neues zu wagen. Mut einen Umweg zu gehen. Und oft braucht es Mut sein Leben in die eigene Hand zu nehmen. Unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben brauchen diesen Mut, haben ihn nötig. – Oft frage ich mich: Was gibt mir Kraft und Mut zu wagen? Was hindert mich, Wagnisse einzugehen? – Fragen Sie sich das auch manchmal?

 

Wenn geflüchtete Menschen von Extremisten bedroht und angegriffen werden, wenn Populismus und Nationalismus alte Grenzen wiederbeleben oder neue Grenzen errichten, wenn Rückzug in vermeintlich sichere und abgegrenzte Identitäten das Zusammenleben in Vielfalt bedroht, wenn Militarisierung und Waffenlieferungen als reflexhafte Reaktion auf angenommene Bedrohung präsentiert werden, wenn die globale Ungleichheit zunimmt und sich der Reichtum mehr und mehr in den Händen kleiner globaler Eliten konzentriert – dann hat die Stunde geschlagen, in einen Streit einzutreten für ein Zusammenleben im Zeichen der Gewaltlosigkeit und Gerechtigkeit. Dann sollte das Glockenläuten, das am 21. September, dem Weltfriedenstag der Vereinten Nationen, in vielen Gemeinden europaweit zu hören sein wird, als Weckruf verstanden werden. Als ein Anfang. Als Motivation, Alternativen zu entwickeln, Position zu beziehen, dem Konflikt nicht auszuweichen, ihn aber hörbereit und gewaltlos zu führen. Als Christinnen und Christen wollen wir uns einmischen und streiten um den Weg unserer Demokratie. Dies tun wir in einer Sensibilität für das Wirken Gottes in unserer Zeit und im Hören auf die Texte der Bibel. „Wer bei Euch groß sein will, der soll euer Diener sein (Matthäus 20,20-28)

Wir haben Grund genug, zurückzublicken, zu erinnern. Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) hat den 21. September zum Tag des Gedenkens an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren und mit Blick auf die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen weltweit zum Internationalen Gebetstag für den Frieden erklärt. Gedenken und erinnern, um die Opfer der vielen Kriege als Menschen zu erkennen und ihnen die Würde zurückzugeben, die ihnen geraubt wurde. Die Opfer von Kriegen mahnen uns Nachfolgende, sich für Frieden, zivile Konfliktlösungen und Gewaltfreiheit einzusetzen. Wir brauchen aber auch Anlässe, um nachzudenken  - und zu fühlen. Um zu lernen für unsere Zukunft und die unserer Kinder!

Wie haben sie alle mitgemacht mit den Massen. „Heil“ geschrien und geglaubt an ein sogenanntes „1000jähriges Reich“. Das Ergebnis: Unheil! – Weil wir verführbar sind. Und das macht nicht nur mir Angst, lässt mich trauern. Um alle, die zu Opfern geworden sind und immer wieder werden. Inzwischen verblasst die Erinnerung an die Schrecken der beiden Weltkriege in Europa zunehmend. Nationalistische Parolen und steigende Militärausgaben zeigen, dass „der Krieg wieder zu einem zentralen Mittel der Politik geworden ist, obwohl er in keinem der zahlreichen aktuellen Konflikte in Afghanistan, Syrien, der Ukraine, dem Jemen, dem Südsudan, in Nigeria und anderen Ländern bisher zu nachhaltigen politischen Lösungen geführt hat.

Es gibt Augenblicke, in denen ich die Kraft der alttestamentlichen Propheten herbeisehne, um heute mit unbändiger Kraft fragen zu können: Was habt Ihr aus der Geschichte gelernt? Was tut ihr für morgen? Für unsere gemeinsame Zukunft? Ist das alles?

 

Es ist an der Zeit, deutliche Zeichen für eine offene Gesellschaft, für Demokratie und interreligiöse Verständigung zu setzen. Aus dem Herzen unserer Religionen gibt es bessere Antworten auf die drängenden Probleme unserer Tage als Ausgrenzung, Gewalt und Anfeindungen!

 

Menschen werden allzu schnell in Schubladen gesteckt und festgelegt, oftmals beurteilt und verurteilt, vorwiegend nach Aussehen, Herkunft und Geschlecht. Was passiert, wenn wir nicht mehr auf die Unterschiede schauen, sondern auf die Person dahinter, wie sie denkt, wie sie fühlt? – „Wer bist Du?“ - Genau hinsehen, genau zuhören und darin die vielen Facetten, die einen Menschen ausmachen, entdecken. Seine Mehrfachzugehörigkeiten. Jeder Mensch ein Ebenbild Gottes – ohne Unterschied.

 

In der christlichen Religion finden sich Ansätze für nachhaltige Konfliktlösungen. Sie sind Gegenentwürfe zur Kraft des Stärkeren. Im ersten Korintherbrief gibt Paulus eine solche Empfehlung streitenden Gemeindemitgliedern an die Hand: „Niemand suche das Seine, sondern was dem anderen dient.“ Nicht Selbstaufgabe ist hier gemeint, wohl aber eine Abkehr von der Haltung „me first“ – „ich zuerst“. Stattdessen fordert Paulus dazu auf, die Bedürfnisse, Ängste und Sorgen des Gegenübers wahrzunehmen. Dabei geht es nicht um die Erfüllung von einem Wunschkonzert, sondern um den Respekt gegenüber den notwendigen Bedürfnissen des Gegenübers. Dies ist der erste Schritt, um Lösungen zu finden, die alle Beteiligten zufrieden stellt. Das Recht liegt nicht auf der Seite des Stärkeren, sondern dort, wo Menschen einander als gleichwertig achten und sich gegenseitig unterstützen, gut leben zu können.

Mahatma Gandhi sagte einst: „Es gibt keinen Weg zum Frieden. Der Frieden ist der Weg.“ Christus selbst verkörpert einen solchen Weg. Bei jedem und jeder einzelnen von uns liegt die Entscheidung, diesem Weg zu folgen oder nicht.

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen gesegneten Start in die Woche!

Ihr

 

Gert Holle


Autor: Gert Holle - 16.09.2024