Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) durch die Bundesregierung hat der Begriff der Inklusion an Bedeutung gewonnen. Forderungen nach der Gleichstellung von Menschen, die in der Regel als „behindert“ gelten, waren plötzlich omnipräsent, Teilhabe das Gebot der Stunde. In den einschlägigen Debatten entwickelte sich jedoch auch eine gewisse „Inklusionsrhetorik“. Zwar wurde viel von Inklusion gesprochen, die notwendigen strukturellen Veränderungen kamen jedoch nur schleppend oder gar nicht voran. Oft diente der Begriff der Inklusion auch dazu, einen Veränderungswillen vorzutäuschen, um dann doch in scheinbar „bewährten“ Bahnen zu verharren. Die UN-BRK verlangt jedoch Veränderungen in allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens. Norbert Störmer stellt Wunsch und Wirklichkeit gegenüber und zeigt auf, wo es entsprechende Aktivitäten gibt und wo (noch) nicht. Dabei verweist er auf das Veränderungspotenzial, das der Begriff der Inklusion in sich trägt und das es immer wieder fachlich wie auch politisch einzufordern gilt.
Norbert Störmer, *1951, Dr. phil., hat als Professor für Heilpädagogik/ Behindertenpädagogik an der Hochschule Zittau/Görlitz in erster Linie Grundlagen, Didaktik, Methodik und Therapie der Heilpädagogik/Behindertenpädagogik sowie Allgemeine Pädagogik gelehrt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen herausfordernde Handlungsweisen, Kommunikations-, Sprach- und Wahrnehmungsbeeinträchtigungen sowie der Umgang mit herausfordernden Handlungsweisen in Gruppensituationen.
Norbert Störmer
Inklusion zwischen Utopie und Realität
(Inklusion und Gesellschaft, Band 1)
Berlin
Frank & Timme 2021
594 Seiten
49,80 Euro
ISBN 978-3-7329-0472-3
Wie steht es um die Inklusion 13 Jahre nach Inkrafttreten der UN-BRK?
Am 3. Mai jährt sich das Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention zum 13. Mal – Zeit zu prüfen, was davon umgesetzt worden ist.
Norbert Störmer forscht seit Jahren zur Inklusion und zu ihrer praktischen Umsetzung. In seinem Buch Inklusion zwischen Utopie und Realität zieht der Professor im Ruhestand eine kritische Bilanz. Gut gedacht und schlecht gemacht – so könnte man es wohl zusammenfassen. Doch das greift zu kurz.
Störmer gibt einen guten Überblick zur Debatte über Inklusion, zu dem, was bereits erreicht ist, und zu den systemimmanenten Schwierigkeiten. Er analysiert den großen Rahmen: die Wirkung der neoliberalen Gesellschaftsordnung sowie Diskriminierung und „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ in der Gesellschaft. Und er geht ins Detail: Was ist „Inklusionsrhetorik“ und wo gibt es echte Teilhabe? Für Familien? In Kindertagesstätten, Schulen und Ausbildungsstätten? Wie funktioniert Inklusion in der Arbeitswelt? Wie läuft es in den Gemeinden? Und wie geht es weiter?
Störmer bleibt dabei immer nah an der Realität, zum Beispiel, wenn er beim Thema selbstbestimmtes Wohnen auch die regional teils schwache Infrastruktur und Wohnraumknappheit berücksichtigt.
Der Buchtitel passt: Norbert Störmer diskutiert das Thema Inklusion zwischen Utopie und Realität.
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Autor: Frank & Timme; zusammengestellt von Gert Holle - 1.05.2021