Die Andacht zum Wochenspruch – von Manfred Günther in den 90er Jahren verfasst – gelesen von Gert Holle
Wochenspruch zur Woche nach dem 1. Sonntag nach dem Trinitatisfest:
Christus spricht: Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich. (Lk. 10,16a)
»Wer euch hört...« Das ist ja oft gerade die Frage: Wer spricht mit der Stimme Christi? Wer verkündigt das Wort Gottes? Wer kann sich auf ihn berufen, wenn er von den Dingen des Glaubens redet?
Da sind jene, die sich selbst gern »Evangelikale« nennen, die sich den »Pietismus« auf die Fahnen geschrieben haben. Sie sagen: Wer zu Christus gehören will, muss seine Schuld unter das Kreuz tragen. Dort erfährt er Vergebung und kann als Bekehrter ein neues Leben beginnen. Und sie sagen auch: Wer zu Christus gehören möchte, muss zu uns gehören. Als könnten andere nicht auch unter das Kreuz treten!.
Da sind verschiedene Sekten, die sich alle auf Jesus Christus berufen. Sie meinen - jede für sich -, dass sie den einzigen Weg zum Ziel kennen. »Nur so könnt ihr das Heil finden! Nur bei uns!« Es gibt wohl nur ein Ziel, aber kann es darum nur einen Weg geben?
Und da ist die Kirche - die evangelische und die katholische. Die wollen auch die Richtung zeigen, haben auch ihre Lehren, ihre Meinung, ihr Selbstverständnis - und ihren Anspruch: Wir wissen die Wahrheit!
Und das sind ja noch längst nicht alle Bewerber um das Recht, mit Jesu Stimme zu sprechen! Wo ist denn nun die glaubhafte Vertretung dieses Herrn? Wer darf für sich beanspruchen: »Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich«?
Immer wieder höre ich von Menschen, die sich fürchten, ihre religiöse Ansicht zu äußern. Sie gehören etwa einer bestimmten Gemeinschaft mit bestimmtem Bekenntnis an und trauen sich nicht, abweichende Gedanken zu denken, geschweige denn auszusprechen. Wenn sie es gar wagen wollten, ihrer religiösen Gemeinschaft den Rücken zu kehren, weil sie vielleicht andere, tiefere Einsichten gewonnen haben... Undenkbar! Wehe ihnen! - Hier sehe ich das erste Kennzeichen verletzt, an dem wir Christi Sache von allen anderen unterscheiden können: Die Liebe! Wo er ist, wo mit seiner Stimme gesprochen wird, da ist auch Liebe. Auch zu dem, der anders denkt und glaubt! Furcht ist nicht in der Liebe!
Bei anderen höre ich: Nur bei uns werdet ihr zu Gott finden. Nur wenn ihr bei uns eintretet, könnt ihr selig werden. - Hier wird das zweite Zeichen mit Füßen getreten, an dem wir sehen können, ob Christus bezeugt und gepredigt wird: Die Toleranz! Wo er ist, werden wir auch Menschen dulden können, die ihn anders verehren, verstehen, anbeten und glauben. Zeigen wir doch mit Taten der Liebe gegen jedermann, was unser Glaube fertigbringt!
Wieder andere möchten die Mittler für andere Menschen sein. Sie wollen ihnen sagen, wie sie beten oder glauben müssen; sie nehmen ihnen den unmittelbaren Kontakt mit ihrem Herrn und bauen Menschen zu Verbindungsleuten Christi mit seinen Gläubigen auf. - Hier geht es um das dritte Zeichen, an dem wir Christi Werk erkennen können: Die Achtung vor jedem Menschen, für den der Herr gestorben ist!
»Wer euch hört, der hört mich...« Wenn wir uns heute fragen, wo hören wir wirklich seine Stimme, wer vertritt wirklich seine Sache, dann wollen wir darauf sehen und die Geister daran prüfen: Wird Christi Liebe bezeugt und gelebt, die freundlich zu ihm einlädt und die niemals Furcht verbreitet? Wird Toleranz geübt - auch gegen Andersgläubige und selbst gegenüber Kritikern und Gegnern? Und schließlich: Darf ein jeder unmittelbar und direkt mit seinem Herrn sprechen und verkehren. Wird die Achtung dafür aufgebracht, dass Jesus Christus für alle Menschen gelitten hat und gestorben ist - ohne Unterschied?
Prüfen wir die Geister auf ihre Liebe, ihre Toleranz und die Achtung vor jedem Menschen!