Schrifstellerin Helga Schubert: Berührungsängste zwischen Kunst und Kirche abbauen

Preisverleihung des Kunstpreises der Nordkirche

Schrifstellerin Helga Schubert liest im Bützower Rathaus. Foto: Christian Meyer
Schrifstellerin Helga Schubert liest im Bützower Rathaus. Foto: Christian Meyer

(Bützow/akl) - Für weniger Berührungsängste zwischen Kirche und Kunst wirbt die mecklenburgische Schriftstellerin Helga Schubert. Die 84-jährige vielfach ausgezeichnete Autorin eröffnete am Freitagnachmittag (26. April) den Festakt zur Verleihung der Nordkirchen-Kunstpreise (https://www.nordkirche.de) unter dem Motto "Sehnsucht nach Atem" mit einer Lesung im Bützower Rathaus.

Kunst und Kirche: Drei Fragen an die Schriftstellerin Helga Schubert

Was ist Kirche und Kunst gemeinsam?

Helga Schubert: Beides ist nicht banal. Sowohl die Kirchenleute als auch die Künstlerinnen und Künstler gehen bei ihrer Arbeit in einen anderen Raum. Sie gehen in einen Raum nach innen und lassen die Tür hinter sich offen. Beide sind allein mit diesem Anderen in sich. Beim Pastor/der Pastorin ist es die Zwiesprache mit einem guten konstruktiven System, das Gott ist. Der Künstler/die Künstlerin kann auch nur schaffen, wenn dieses Andere in sich zu einem Gegenüber wird, zu einem Werk, einer Erzählung. Wie eine Zellteilung. Kirche und Kunst haben ein Gegenüber. Der Schriftsteller ist auf ein Du gerichtet, sagte die österreichische Dichterin Ingeborg Bachmann.

Hat der Sanctus Spiritus, der Heilige Geist, etwas zu tun mit Inspiration?

Helga Schubert: Die Inspiration ist das Ergebnis davon, dass Künstler etwas hineinnehmen in sich aus der äußeren Welt, sie nehmen etwas aus dem Reichtum der Erfahrungen anderer. Es ist ein Einverleiben, das Kraft kostet. Ich glaube, dass der Heilige Geist jedem Menschen zur Verfügung steht, nicht nur dem Künstler. Jeder Mensch, der sein Tun auch von außen sieht, in seiner Kleinheit, braucht den Trost der Relativierung, auch den des eigenen Schmerzes. Vielleicht ermöglicht das, was wir den Heiligen Geist nennen, wirklich eine kleine Stufe höher zu gehen, die Erdenschwere zu verlassen, dankbar zu sein, etwas aus sich herauszustellen, eine Plastik, ein Gemälde.

Was wünschen Sie sich von Kirche in Bezug auf Kunst? Was wünschen Sie sich von Künstlerinnen und Künstlern in Bezug auf unsere Kirchen?

Helga Schubert: Ich wünsche mir Offenheit von der Kirche, Regale mit Büchern aus den Nachlässen in den Gemeindehäusern, Ausstellungen, gemeinsame Ausflüge zu Museen und Kunsthallen, Dokumentarfilme zusammen mit den Heimatvereinen. Ich wünsche mir von Künstlern unserer Region, Schwellenängste zu überwinden, wenn sie vielleicht Atheisten sind, sich für Veranstaltungen in Kirchen zur Verfügung zu stellen. Ein wunderbares Beispiel ist die Gemeinde Altenkirchen auf Rügen mit Pastor Christian Ohm, der den ganzen Sommer über ein Programm mit Vorträgen, Lesungen und Alter Musik organisiert, auf dem Friedhof eine Porträtausstellung erlaubt und laminierte Gedichte von Rose Ausländer bis Celan in die Hecken knüpft. Hunderte kommen. Auch die Kirche ist offen.