DER DENKANSTOSS

Feder und Tintenfass 

Auf dem Schreibtisch eines berühmten Dichters stand ein Tintenfass. Eines Nachts, als alle Gegenstände lebendig wurden, sagte es überheblich: "Unglaublich, wieviel Schönes ich hervorbringe! Einige Tropfen von meiner Tinte genügen, um ein ganzes Blatt mit schönen, erhebenden Gedanken voll zu schreiben.

Als die Schreibfeder dies hörte, ärgerte sie sich: "Ja, verstehst du denn nicht", sagte sie zum Tintenfass, "dass du nur dazu da bist, mir die Tinte zur Verfügung zu stellen? Ich bringe dann das zu Papier, was in mir steckt!"

Bald darauf kam der Dichter von einem Konzert nach Hause und setzte sich an den Schreibtisch. Er griff nach seiner Feder, tauchte sie in die Tinte, dachte ein wenig nach und schrieb dann auf ein Blatt Papier:
"Wie dumm sind doch eigentlich Geige und Bogen, wenn sie meinen, selbst Musik zu machen! Oft sind wir Menschen aber genauso dumm und überheblich, wenn uns etwas gelingt. Wir vergessen, dass wir nur Instrumente in der Hand Gottes sind."

Tintenfass und Feder, die dem Dichter behilflich waren, das niederzuschreiben, haben leider nichts daraus gelernt!


Autor: nach Hans Christian Andersen; Foto: Archiv - 8.5.2015