8.08.2025
Zu einer Begegnungsreise nach Bolivien sind Ende Juli 18 Männer und Frauen aus dem Bistum aufgebrochen. Die Partnerschaft besteht bereits seit über 60 Jahren.
Von Simone Bastreri
(Bullay/Saarbrücken/Sucre/sb) – Eine Partnerschaft sollte nicht nur auf dem Papier existieren – das gilt nicht nur für zwischenmenschliche Beziehungen, sondern auch für die Bolivienpartnerschaft des Bistums Trier. Seit über 60 Jahren existiert die besondere Freundschaft (Hermandad) zwischen dem deutschen Bistum und der Kirche des lateinamerikanischen Landes. Gestärkt und gefestigt wird sie durch gegenseitige Besuche und den persönlichen Austausch zwischen Deutschen und Bolivianern. Zu einer solchen Begegnungsreise sind Ende Juli 18 Männer und Frauen aus dem Bistum Trier aufgebrochen. Organisiert wird sie vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und der Diözesanstelle Weltkirche im Bistum Trier. Nach einem Einführungsseminar in Santa Cruz hat die Gruppe sich aufgeteilt, um in fünf Kleingruppen Partnerprojekte und Einrichtungen zu besuchen, die auch mithilfe von Spenden aus dem Bistum Trier unterstützt werden.
Mit dabei sind auch vier junge Leute der Jugendkirche eli.ja aus Saarbrücken, unter ihnen Theologiestudent Benedikt Lang (25). Seine Kleingruppe hat sich nach San Ignacio de Moxos aufgemacht, das im tropischen Tiefland Boliviens liegt. Der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können, berichtet er: „Gerade wird hier das Fest des Heiligen Ignacio gefeiert mit traditionellen Prozessionen. Die ganze Stadt ist seit zwei Tagen auf den Beinen.“ Auch bestehende Freundschaften wurden gepflegt: So besuchte die Gruppe aus Saarbrücken eine ehemalige bolivianische Freiwillige, die in eli.ja letztes Jahr ihren Dienst absolvierte. In der nahegelegenen Stadt Trinidad und dem Umland hat die Gruppe verschiedene staatliche Schulen besucht, unter anderem ein Internat. Hier leben Kinder und Jugendliche, die sonst wegen der großen Entfernungen keine Chance auf Bildung hätten. „Dort sieht man schon eine große Armut“, berichtet Benedikt. „In der Schule lag Müll, in den Duschen hing ein Wespennest, es gab kein fließendes Wasser auf den Toiletten. Wir haben sie darauf aufmerksam gemacht, dass sie Hilfen bei der Caritas oder der Hermandad beantragen können. Doch trotzdem wirken die Kinder glücklich. Sie sagen, sie sind dankbar, eine Schule besuchen zu dürfen. Sie haben Träume und Hoffnungen, möchten Arzt oder Anwalt werden.“
Positive Einstellung trotz Widrigkeiten
Auch eine Einrichtung für Menschen mit Behinderung haben Benedikt und seine Mitreisenden besucht. „Früher hat man sich für beeinträchtigte Verwandte geschämt und sie mehr oder weniger versteckt. Inzwischen hat die Akzeptanz zugenommen, aber da ist noch Luft nach oben. Ich hatte hier mehr das Gefühl, es geht darum, dass die behinderten Menschen irgendwie betreut sind, aber eine individuelle Betreuung fehlt.“ So seien die Tagesgäste zusammengewürfelt, egal ob sie motorische oder kognitive Beeinträchtigungen haben. „Sie werden vermutlich immer von ihren Eltern abhängig sein – da gibt es eben noch keine wirkliche gesellschaftliche Partizipation.“
Offenheit und Herzlichkeit
Das Thema Inklusion beschäftigt auch eine andere Kleingruppe um Ronja Knopp, die als ehemalige Bolivien-Freiwillige die Reise mit organisiert hat. Die 20-Jährige aus Bullay ist in einer komplett anderen Region Boliviens, im Hochland des Bundesstaats Chuquisaca, unterwegs. In zwei kleinen Dörfern mit rund fünf bis sechstausend Einwohnern gibt es ebenfalls Zentren für Menschen mit Behinderung aller Altersstufen – auch hier nicht nach Art der Bedürfnisse getrennt. Doch hier gehen die Lehrkräfte mehr auf die individuelle Situation ein, lautet Ronjas Einschätzung. „Es war spannend zu sehen, wie die Lehrenden sich an jeden einzelnen anpassen müssen und wie breit sie aufgestellt sind. An einem Tisch übten einige, zu schreiben, am zweiten Tisch konnten die Leute bereits lesen, in einer anderen Ecke wurden am Herd Koch-Schritte erklärt. Es werden Grundpfeiler gelegt, sodass die Menschen selbstständiger leben können.“ Begrüßt wurden die deutschen Besucher am ersten Tag mit einer großen Willkommensfeier mit Tänzen und dem Vorturnen von Kindern. „Wir haben insgesamt drei Mal zu Mittag gegessen“, lacht Knopp, der die Herzlichkeit und Offenheit der Bolivianer gefällt. Was alle Lehrkräfte hier gemeinsam hätten, sei eine unglaublich positive Einstellung“, sagt Knopp. „Sie sagen, die Schüler geben ihnen so viel Freude und Kraft zurück, egal welche eigenen Probleme sie haben.“ Viele Lehrkräfte in Bolivien haben noch Zweit- oder gar Drittjobs, weil das Geld zum Leben nicht ausreicht.
Stiftung ermöglicht Ausbildung
Die berührendste Erfahrung machte Ronjas Gruppe beim Besuch von Familien mit behinderten Kindern, die abgelegener auf dem Land wohnen. „Wir haben in kleinen Lehmhäuschen gesessen und eine Mutter hat uns ihre Geschichte erzählt. Sie hat drei taube Töchter, die durch die Stiftung „Solidarität und Freundschaft Chuquisaca-Trier“ (getragen von BDKJ und Erzbistum Sucre) eine Ausbildung machen konnten. Oder ein Großvater in einem anderen Dorf, der für seine zwei intellektuell beeinträchtigen Enkelinnen verantwortlich ist. Beide haben ihre Sorge geteilt, was einmal aus ihren Schutzbefohlenen wird, wenn sie mal nicht mehr da sind“, erzählt Knopp. „Es ist so ein großer Unterschied zu dem, wie wir in Deutschland leben, dass es manchmal unfassbar ist. Aber ich bin dankbar und froh, dass wir bei ihnen sein und zuhören durften.“ Weil ihre Gruppe trotz Sprachbarriere nicht nur mit den Projektverantwortlichen über, sondern mit den besuchten Familien sprechen möchte, wurden Spiele als Gastgeschenke verteilt. „Jenga und Uno kannten sie noch nicht und durch das Spielen wurde die Stimmung dann richtig offen und freundschaftlich.“
Bewusstsein schaffen und sensibilisieren
Für Benedikt Lang war es nicht die erste Bolivienreise – vor einem Jahr war er schon einmal mit der Theologischen Fakultät Trier hier. „In Bolivien habe ich einen anderen Bezug zu Umweltschutz und unserem Konsumverhalten in Deutschland gewonnen. In Potosì beispielsweise ist Kinderarbeit im Silberbergwerk ganz normal. Mir ist bewusster geworden, dass wir alle eng verbunden sind. Und dafür möchte ich gern mehr Bewusstsein schaffen und sensibilisieren, wenn wir zurückkommen. „Eine ehemalige Freiwillige hat es so ausgedrückt: ‚In Deutschland kennt man Armut, aber hier gibt es Elend.‘ Und da sehe ich, dass Kirche viel bewirken kann, egal ob durch den Austausch der Freiwilligen oder Priester, die im jeweils anderen Land arbeiten oder eben durch solche Begegnungsreisen. Es muss Menschen geben, die sich für die Partnerschaft engagieren, sonst schläft das Ganze ein.“
Mehr Informationen zur Bolivienpartnerschaft gibt es auf: Start | Bolivienpartnerschaft im Bistum Trier und auf: Bolivienpartnerschaft des BDKJ.