24.06.2025
(Stuttgart-Hohenheim/uh) - Frühzeitig, offen und dialogorientiert
kommunizieren – das ist aus Sicht von Krankenhausexpert:innen einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren bei der Transformation der Krankenhauslandschaft. Veränderungen stoßen häufig auf Widerstand –
insbesondere vor Ort. Öffentlicher Druck lasse dann oft die politischen Entscheider:innen zögern. Auch wenn Kommunikation nicht alle Konflikte und Interessenunterschiede auflösen kann, ist sie
laut den Fachleuten unverzichtbar für die Akzeptanz – vor allem gegenüber den Mitarbeitenden. Die leitfadengestützten Interviews mit 16 Krankenhausexpert:innen erfolgten in Kooperation von
Kommunikationswissenschaftler:innen der Universität Hohenheim in Stuttgart und der Kommunikationsberatung Crunchtime Communications. Zentrale Ergebnisse der Studie: https://t1p.de/Crunchtime_Krankenhaus-Radar_2025
Trotz massiven Handlungsdrucks haben sich nach Einschätzung der befragten Expert:innen rund ein Viertel der deutschen Krankenhäuser noch gar nicht aktiv auf den Weg der Neuausrichtung begeben.
Alle befragten Expert:innen sind überzeugt, dass Krankenhausträger und Klinikmanagement wissen, dass Veränderungen notwendig sind, und wie diese inhaltlich zu gestalten seien. Die richtige
Medizin-Strategie zu entwickeln, sei nicht das Problem.
Nach mehrheitlicher Expert:innen-Meinung lässt aber die Angst vor Kritik und öffentlichem Druck politische Entscheidungsträger:innen zögern, rechtzeitig notwendige Veränderungen zu beschließen.
Kritik und Widerstand sind nach Meinung aller Expert:innen angesichts der notwendigen tiefgreifenden Veränderungen zu erwarten und können nicht vollständig vermieden oder entkräftet werden.
Daher komme der internen und der externen Kommunikation in Transformationsvorhaben von Krankenhäusern eine große Bedeutung zu: Kommunikation ist nach Einschätzung der befragten Expert:innen der
wichtigste Erfolgsfaktor. Dazu zählen vorrangig vier Aspekte:
1) der Dialog und die Einbeziehung der Entscheider:innen,
2) die verständliche Information über das jeweilige Reform-Vorhaben sowie das Erklären des Nutzens und der Notwendigkeit gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit,
3) die Gewinnung und Positionierung von fachlich qualifizierten und glaubwürdigen Fürsprecher:innen (Gutachter:innen, Expert:innen, Mitarbeitende etc.),
4) der ernsthafte und verantwortungsvolle Umgang mit Betroffenen, Kritiker:innen und Gegner:innen.
Zögerliche politische Entscheider:innen
Ein wesentliches Problem für die Transformation in Krankenhäusern sehen die befragten Expert:innen auf politischer Seite: Aus Angst vor Kritik, öffentlichem Druck und emotional aufgeladenen
Debatten werden notwendige Entscheidungen zu oft aufgeschoben. Ihr Appell vor allem an die Kommunalpolitik ist deutlich: Mehr Mut zu konsequenten Entscheidungen – und die Standhaftigkeit, diese
auch unter Gegenwind konsequent umzusetzen.
„Auch aus kommunikativer Perspektive sind frühzeitige und konsequente Entscheidungen dringend anzuraten“, sagt Johannes Fischer, geschäftsführender Gesellschafter von Crunchtime und
Lehrbeauftragter an der Universität Hohenheim. „Wer wartet, bis es nicht mehr anders geht, verliert Zeit und Spielraum für eine überzeugende Kommunikation. Denn dann bleibt meist nur noch das
wirtschaftliche Argument – und genau das stößt bei Veränderungen in der Gesundheitsversorgung auf wenig Verständnis. Andere, inhaltlich tragfähigere Argumente haben zu diesem Zeitpunkt bereits an
Glaubwürdigkeit eingebüßt, und für echten Dialog fehlt die Zeit.“
Transformation braucht Akzeptanz – und Akzeptanz entsteht durch Kommunikation
Prof. Dr. Frank Brettschneider, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim, betont: „Strategien scheitern selten an ihrer inhaltlichen Qualität – sondern daran, dass es nicht
gelingt, ausreichend Akzeptanz für ihre Umsetzung zu gewinnen. Auch die besten Konzepte entfalten nur dann Wirkung, wenn sie verstanden und mitgetragen werden. Dafür braucht es systematische
Kommunikation und Beteiligung von Anfang an. So lassen sich auch bei einem inhaltlich komplexen und von vielfältigen Akteur:innen und ihren Interessen geprägten Thema wie Klinik-Reformen
gesellschaftlich tragfähige Lösungen finden.“
Auch die befragten Expert:innen sehen – neben der inhaltlichen Qualität – in der Kommunikation den entscheidenden Erfolgsfaktor. Sie betonten aber auch: Es ginge nicht darum, alle zu überzeugen.
Der Fokus solle vielmehr auf der aktiven Gestaltung des Dialogs mit Entscheidungsträger:innen, Führungskräften und Mitarbeitenden sowie weiteren direkt Betroffenen und Beteiligten liegen.
„Die Krankenhausversorgung ist ein hochsensibles Thema, das bei vielen starke persönliche Betroffenheit auslöst. Da kann man nicht alle gewinnen“, sagt Johannes Fischer. „Vor allem darf man sich
nicht von den wenigen Lauten treiben lassen – ihre Meinung ist selten repräsentativ und stark von Eigeninteressen geprägt. Wer sich daran orientiert, landet in einem reaktiven
Rechtfertigungsmodus. Entscheidend ist, die Kommunikation von Anfang an strategisch zu planen – mit klarer Zielgruppenfokussierung, koordinierter Ansprache und glaubwürdiger Beteiligung.“
Transformation gelingt nicht nur mit Beton – sondern braucht auch Beteiligung
Die Autoren der Studie kritisieren, dass der mit 50 Milliarden Euro ausgestattete Transformationsfonds des Bundes bislang keine explizite Förderung strategischer Kommunikation vorsieht – obwohl
sie maßgeblich darüber entscheide, ob Transformationsprojekte erfolgreich umgesetzt und damit die öffentlichen Gelder wirksam eingesetzt würden.
„Natürlich braucht es Investitionen in Gebäude und Infrastruktur“, sagt Frank Brettschneider. „Aber Baumaßnahmen allein reichen nicht. Es braucht Investitionen in Verständnis und Akzeptanz – und
dafür gezielte Kommunikation. Nur wenn Menschen verstehen, worum es geht, warum Maßnahmen notwendig sind und was diese konkret für sie bedeuten, kann Transformation gelingen. Kommunikation ist
keine Begleitmusik, sondern ein elementarer Erfolgsfaktor. Sie gehört deshalb von Beginn an in jedes Transformationsprojekt – und damit auch in den Förderantrag.“
Weitere Informationen
Studie „Krankenhaus-Radar 2025“