2.10.2025
Mit dem neuen Bestattungsgesetz werden in Rheinland-Pfalz neue Beisetzungsformen ermöglicht, mit denen sterbliche Überreste von Menschen auch einfach verschwinden können. Ob die Gesellschaft dadurch für sich einen Vorteil erfährt, ist zu bezweifeln.
(Kassel/Süßen/tb) - Mit dem neuen Bestattungsgesetz werden in Rheinland-Pfalz neue Beisetzungsformen ermöglicht, mit denen sterbliche Überreste von Menschen auch einfach verschwinden können. Ob die Gesellschaft dadurch für sich einen Vorteil erfährt, ist zu bezweifeln.
In einer Pressemitteilung des Ministeriums zum Thema war zu lesen, dass mit dem Gesetz Raum für „ganz individuelle Formen der Trauer“ geschaffen werde. Viele Menschen wollten selbstbestimmt entscheiden können, wie „die Trauer“, ihr Versterben und die Beerdigung geregelt werden sollen, begründete der Minister für Wissenschaft und Gesundheit Clemens Hoch (SPD) die Novellierung.
Hier wird eine Fehleinschätzung der politisch Agierenden sichtbar, denn: Trauer lässt sich nicht regeln. Auch können durch Gesetze keine Formen der Trauer geschaffen werden. Durch das neue Bestattungsgesetz werden keine neuen Formen der Trauer geschaffen, im Gegenteil, diese werden massiv eingegrenzt. Hier entsteht der Eindruck, dass bei den an der Entstehung des neuen Gesetzes Beteiligten das notwendige Verständnis für Trauer und Trauerprozesse – die auf natürlichen Gesetzmäßigkeiten des Menschseins beruhen – nicht in dem notwendigen Maß vorhanden ist. Auch wenn das keine Absicht sein mag: Im Ergebnis kann das nicht dem Wohle der Menschen dienen, wie es von den Beteiligten ursprünglich gedacht war.
Bei der Liberalisierung des Bestattungsgesetzes lag der Fokus nur auf der Selbstbestimmung Sterbender. Der Tod hat jedoch auch enorme Folgen für die Hinterbliebenen, auch längerfristig. Und deren Möglichkeiten zum Umgang mit ihrer Trauer wurden durch das neue Gesetz nicht verbessert, sondern massiv eingegrenzt. Hier wurde leider komplett außer Acht gelassen, was trauernde Menschen sich wünschen, was sie benötigen, was ihnen in ihrer Trauer gut tut und hilft. Dadurch hat die Gesetzgebung versäumt, genau diesen Menschen zur Seite zu stehen und ihnen diese Möglichkeiten zu schaffen und der Trauer mehr Raum zu geben, für den Einzelnen, für die Gemeinschaft, und dies auch öffentlich zugänglich.
Hierbei können Friedhöfe, die sich an diesen trauerpsychologischen Erkenntnissen orientieren und menschenzugewandt in die Zukunft entwickelt werden, einen großen Beitrag leisten. Als soziale Orte für Begegnung, Stille, Erinnern, Naturerfahrung, auch für Kinder, als neue Resonanzräume, in denen individuelle und kollektive Rituale erlaubt und gefördert werden, auch direkt am Ort der Beisetzung, nicht an fremdbestimmten Sammelstellen. Als Raum der Möglichkeiten, nicht der Verbote und Vorschriften.
Unter Berücksichtigung dieser Kenntnislage hätte sich daraus in Rheinland-Pfalz eine neue gesellschaftliche Trauer- und Sozialkompetenz entwickeln können, die das soziale Miteinander in Städten und Kommunen fördert. Es hätte bürgerliche Fürsorge entstehen können, die Mitgefühl, Offenheit und Respekt sichtbar macht, in einem „Raum für Trauer“.
Eine zukunftsorientierte Landesgesetzgebung, die für sich in Anspruch nimmt, das modernste Bestattungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland geschaffen zu haben, muss die Trauer der Angehörigen viel stärker berücksichtigen. Dies ist ein zentraler Bestandteil der Daseinsvorsorge, für die staatliche und kommunale Behörden Verantwortung tragen.
Günter
Czasny
Sprecher der Initiative „Raum für Trauer“
Hintergrund: Die Initiative „Raum für Trauer“ entstand unter Federführung der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. in Kooperation mit Institutionen, Gewerken, Vereinen und Verbänden der Trauer-, Bestattungs- und Friedhofskultur. Die Initiative stützt sich auf Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Arbeiten zu den Themen Trauer, Trauerverarbeitung und Trost. Die Erkenntnisse werden unter anderem in folgenden Publikationen ausgeführt, die über https://raum-fuer-trauer.de zu beziehen sind: „Acht Thesen zur Trauerkultur im Zeitalter der Individualität“ des Trend- und Zukunftsforschers Matthias Horx, „Der Friedhof als kommunales Erfolgsprojekt der Zukunft – Theorie und Praxis für Entscheider“ mit Artikeln zur am psychologischen Wirkpotential von Beisetzungsorten ausgerichteten Gestaltung zeitgemäßer Friedhöfe. Seine Autorinnen und Autoren sind Experten unter anderem aus Psychologie, Soziologie, Kognitionswissenschaften, Architektur und Landschaftsarchitektur. Das illustrierte Büchlein „Weiterreden, weiterleben – wie ein Grab als Trauerort dabei helfen kann“ beschreibt mit einem Vorwort von Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx anhand einer sehr persönlichen Erfahrung, welche positive Wirkung Beisetzungsorte auf Hinterbliebene haben können. Zu den Projekten der Initiative zählt auch die Online-Plattform https://trauer-now.de bzw. @trauernow. Das Familienunternehmen Strassacker, das sich als Kunstgießerei schon seit über 100 Jahren intensiv mit der Trauer- und Erinnerungskultur beschäftigt, hat mit unterschiedlichen Aktionen und Maßnahmen wie auch Forschungsprojekten mit dazu beigetragen, die Initiative zu entwickeln und zu realisieren.