„Vollbild“-Doku zeigt: Ein Kopfschütteln reicht, um zur Zielscheibe rechter Hass-Kampagne zu werden / Neue Folge ab Dienstag, 5. August 2025, in der ARD Mediathek
5.08.2025
(Mainz/Berlin/swr) - Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) fordert mit Blick auf die steigende Zahl an Hassbeiträgen im Internet ein Umdenken der Justiz. Im Interview mit dem SWR Investigativformat „Vollbild“ sagte er: „Ich hätte nichts dagegen, wenn sich in diesem Bereich das Bewusstsein ein wenig verändern würde, wenn man ein bisschen sensibler wäre.“ Heute müsse man sich vieles erlauben lassen, weil das Recht der freien Meinungsäußerung wichtiger sei.
„Kultur von Hass und Hetze“
Dabei hätten wir mittlerweile eine Kommunikation erreicht, die mit „normalem menschlichen Miteinanderredens nichts mehr zu tun hat“, so Reul. Für die Gesellschaft sei das kein gutes Zeichen. Nach eigenen Angaben erhält Reul selbst immer wieder Anfeindungen und Hassbotschaften. „Was meinen Sie, wie viele Postings, Briefe oder Mails ich kriege. Die bringe ich alle fröhlich zu Gericht, und natürlich ist da bisher noch nie etwas rausgekommen“.
Appell an die Gesellschaft
Reul appellierte zudem an die gesamte Gesellschaft, Hass und Hetze zu widersprechen. Jeder könne sagen: „So geht das nicht. Das ist nicht der Stil, wie wir uns unterhalten“. Nur so könne es gelingen, das gesellschaftliche Klima zu verändern. „Wenn es da nicht gelingt, ein Klima in der Gesellschaft zu schaffen, das das ächtet, dann werden wir das nicht in den Griff kriegen.“
BKA: Immer mehr strafbare Hassbeiträge
Das Bundeskriminalamt (BKA) erfasste zuletzt mehr strafbare Hassbeiträge im Internet. 2024 registrierte das BKA mehr als 10.000 Fälle, viermal mehr als noch 2021. Knapp die Hälfte der Hassbeiträge kamen laut Ermittlern aus dem rechten Spektrum. Auch beim zwölften bundesweiten Aktionstag zur Bekämpfung von strafbaren Hasspostings Ende Juni seien zwei Drittel der Beiträge dem rechten Spektrum zuzuordnen.
„Vollbild“-Recherche entlarvt Drahtzieher rechter Shitstorms
Das SWR Investigativformat „Vollbild“ hat die Drahtzieher mehrerer rechter Shitstorms recherchiert. Im Fokus der Recherche stand dabei unter anderem Timm Kellner, ein ehemaliger Polizist. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz bezeichnete Kellner in seinem Jahresbericht 2023 als Rechtsextremisten sowie als Multiplikator der sogenannten Delegitimierer-Szene, der mit seinen Inhalten zur Delegitimierung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beitrage.
Auf Social Media ist Timm Kellner ein reichweitenstarker Influencer mit insgesamt mehr als 760.000 Followern auf Instagram und Youtube. Er inszeniert sich selbst als Satiriker und spricht seine Community vor allem mit vermeintlich ironischen und unterhaltsamen Videos an. Nach Einschätzung von Experten wie dem Konfliktforscher Professor Andreas Zick von der Universität Bielefeld ist das Teil einer Strategie. „Die Influencer, die besonders einflussreich sind, beherrschen das Spiel, nicht zu extremistisch zu sein“, sagt Zick im „Vollbild“-Interview. Für die extremistische Szene seien sie aber hochattraktiv. „Das Ganze funktioniert nur mit Unterhaltungswert. In diesen rechtsradikalen, nationalistischen Netzwerken sind solche Personen die Brücke in die Mitte der Gesellschaft“.
Mehr dazu in der „Vollbild“-Doku „Plötzlich Hassobjekt – Woher kommt die rechte Online-Hetze?“ Die komplette Recherche ist ab 5. August 2025, 5 Uhr, in der ARD Mediathek zu sehen: https://1.ard.de/vollbild_hatefluencer