„Verantwortung für den Zusammenhalt in unserem Land und in unserer Kirche sowie für den Missbrauch“

Wir sind Kirche zur Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) vom 22. bis 25. September 2025 in Fulda

21.09.2025

 

(München/Fulda/wsk) - Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche appelliert an die deutschen Bischöfe, ihren Verpflichtungen für den Zusammenhalt in unserer Kirche, in unserem Land und auch in Europa mit aller Energie nachzukommen. 60 Jahre nach Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils (8. Dezember 1965) und 50 Jahre nach Ende der „Würzburger Synode“ (23. November 1975) dürfen die damals formulierten Visionen und Optionen nicht in Vergessenheit geraten, sondern müssen immer wieder erinnert, vertieft, fortentwickelt und endlich umgesetzt werden.

 

Gesellschaftliches Engagement

Wir sind Kirche sieht die Bischöfe – als Vertreter der größten religiösen Gemeinschaft in Deutschland – in der Pflicht, sich für eine wertegeleitete solidarische und demokratische Gesellschaft und gerade auch für Minderheiten- und Frauenrechte einzusetzen, wie es der christlichen Botschaft entspricht. Die Kirchen verfügen in unserem Land immer noch über erhebliche Ressourcen. Kirchliche Gebäude und Einrichtungen sind als Gemeingüter, als öffentliche soziale Räume zu nutzen; spirituelle und personelle Ressourcen sind zum Wohle aller zur Verfügung zu stellen. Angesichts der zunehmenden Vereinsamung und Fragmentierung unserer Gesellschaft wird ein breites zivilgesellschaftliches Engagement für den inneren Frieden in unserem Land immer wichtiger. Wenn dies gelingt, kann dies auch dem Relevanzverlust der Kirchen entgegenwirken.

 

Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung

Die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, an der erstmals auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz beteiligt war, hat erneut sehr deutlich gezeigt, wie groß die Diskrepanz zwischen Kirchenleitung und Basis ist. Nur 9 Prozent aller Befragten erklärten, sie hätten noch Vertrauen in die katholische Kirche. 96 Prozent der katholischen Kirchenmitglieder erwarten grundlegende Veränderungen, wenn Kirche eine Zukunft haben soll. Der so dringende Kommunikations- und Handlungsbedarf ist wieder einmal dokumentiert worden!

 

Synodalität in Deutschland und weltweit

Bei ihrer ersten Vollversammlung nach der Wahl von Papst Leo erwartet Wir sind Kirche von den deutschen Bischöfen, dass sie sich endlich geschlossen zum Synodalen Weg in Deutschland bekennen und auch ihre „Hausaufgaben“ für den weltweiten Synodalen Prozess machen. So wie Papst Leo den von Papst Franziskus gestarteten weltweiten Synodalen Prozess konsequent ohne Zeitverzug weiterführen lässt, müssen auch die einzelnen Ortskirchen endlich spürbare Reformschritte in synodaler Weise vornehmen, wie sie das Abschlusspapier der Weltsynode aufgetragen hat.

In Abschnitt 94 des Schlussdokuments der Weltsynode heißt es ausdrücklich: „Ohne konkrete kurzfristige Veränderungen wird die Vision einer synodalen Kirche nicht glaubwürdig sein, und dies wird diejenigen Mitglieder des Volkes Gottes entfremden, die aus dem synodalen Weg Kraft und Hoffnung geschöpft haben. Die Ortskirchen müssen Wege finden, um diese Veränderungen umzusetzen.“

 

Interview von Papst Leo 

Das jüngste Interview von Papst Leo mit der US-Journalistin Elise Ann Allen hat in manchem enttäuscht, denn der Papst hat sich in unsynodaler Weise zu brisanten Fragen geäußert, obwohl die zu diesen Fragen eingerichteten Studiengruppen noch keine Ergebnisse vorgelegt haben.

Die seit langem in der Diskussion befindlichen pastoralen Reformen vor allem bezüglich der Dienste in den Gemeinden sind endlich synodal, d.h. in gemeinsamer Verantwortung mit dem Volk Gottes umzusetzen. Dabei dürfen Strukturfragen und Glaubensfragen nicht gegeneinander ausgespielt werden, denn sie bedingen einander.

 

„Gespräche im Geist“ alleine retten die Kirche nicht

Wir sind Kirche setzt weiter auf die Bischöfe, aber auch die Theolog:innen sowie die vielen Mitglieder des Volkes Gottes, die sich jahrelang intensiv und argumentativ am Synodalen Weg in Deutschland wie auch am weltweiten Synodalen Prozess beteiligt haben. Es gilt, auch jetzt zu den erarbeiteten Positionen (z.B. „Frauenfrage“, LGBTIQ+, Dienste und Leitungsformen, Pflichtzölibat) zu stehen, diese weiterzuentwickeln und umzusetzen. Es braucht mutige Entscheidungen.

Die bisherigen Recherchen von Wir sind Kirche und Gemeindeinitiative.org auf den Webseiten der 27 Diözesen in Deutschland zeigen allerdings auch jetzt noch ein eher lückenhaftes Bild, wenn z.B. auf den Startseiten keine Hinweise zu synodalen Themen und Prozessen zu finden sind.

 

Aufarbeitung und Aufklärung sexuellen Missbrauchs

Bezüglich der Aufarbeitung und Aufklärung sexuellen Missbrauchs fordert Wir sind Kirche, dass sich jeder einzelne Bischof noch sehr viel deutlicher den Anliegen und berechtigten Interessen der Betroffenen sexualisierter Gewalt zuwendet, damit diese Gerechtigkeit erfahren. Die immer wieder zu beobachtenden Versuche einzelner Diözesen, sich durch juristische Kniffs und Spitzfindigkeiten aus der Verantwortung ziehen zu wollen, bedeutet für die Betroffenen eine unzumutbare retraumatisierende Belastung.

Der viel zu zögerliche Umgang mit dieser lange andauernden, beispiellosen Kirchenkrise hat dem Ansehen der gesamten kirchlichen Gemeinschaft geschadet und den Austritt zahlreicher Menschen aus der Kirchensteuergemeinschaft in den letzten Jahrzehnten beschleunigt (5.430.304 in den Jahren 1995 bis 2024; Quelle).

 

30 Jahre nach dem KirchenVolksBegehren

Nach dem KirchenVolksBegehren, das im Jahr 1995 von mehr als 1,8 Millionen Menschen unterschrieben und damals intensiv diskutiert wurde, erklärte der damalige Vorsitzende der DBK, Bischof Karl Lehmann, die nächste Vollversammlung würde zwar gewiss über die Initiative nochmals sprechen, aber auf keinen Fall Beschlüsse der erwarteten Art fassen. Dies hat sich zum Glück in den vergangenen 30 Jahren geändert. Genau die Themen des damaligen KirchenVolksBegehrens werden jetzt auf dem Synodalen Weg in Deutschland intensiv beraten und auch innerhalb des weltweiten Synodalen Prozesses international thematisiert.

Wir sind Kirche zum Heiligen Jahr in Rom

An dem Treffen „Synodaler Teams und partizipativer Gremien der Weltsynode“ vom 24. bis 26. Oktober 2025 im Rahmen des Heiligen Jahres im Vatikan werden auf Einladung von Kardinal Mario Grech, dem Sekretär der Weltsynode, auch acht Vertreter:innen von Wir sind Kirche International teilnehmen.