9.07.2024
Achtsamkeitstechniken sind so hipp wie Barista-Kaffeemaschinen. Doch wenn ein paar Atemübungen vor dem nächsten Meeting, Smartphone-Detox nach Feierabend und Slow Food beim Lunch zur Leistungssteigerung eingesetzt werden, hat das nichts mehr mit der ursprünglichen Idee von Achtsamkeit zu tun. Der Soziologe Jacob Schmidt hat den anhaltenden Trend untersucht und findet: Achtsamkeit verspricht viel mehr, als sie zu bieten hat. Sein Buch ist eine überfällige Auseinandersetzung mit diesem schillernden Begriff, hinter dem sich häufig wenig mehr als kapitalismusfreundliche Selbstoptimierung versteckt. Zugleich fordert Schmidts Analyse heraus, die gesellschaftlichen Gründe für die große Sehnsucht nach Ruhe und einem anderen Zusammenleben ernst zu nehmen.
Die Sehnsucht nach Achtsamkeit als Symptom unserer Zeit
Egal, welches Problem man
hat, die Antwort darauf scheint ziemlich oft dieselbe zu sein: Achtsamkeit. Ob bei Depressionen, Stress, in der Kindererziehung oder Partnerschaft, bei Gewichtsproblemen, der Kommunikation
im Büro und überhaupt: Immerzu sollen wir achtsam sein.
Das Versprechen der Achtsamkeit ist verlockend: Stille und Frieden finden in unserer hektischen, schnelllebigen Zeit, in der man immerzu droht, sich selbst oder zumindest den eigenen Fokus zu
verlieren. Ein In-sich-Ruhen, das neue Kraft schenkt und nebenbei mitfühlender macht, konzentrierter, belastbarer. Laut einer repräsentativen Umfrage von 2019 meditieren knapp 5,5 Millionen
Deutsche. Die meisten von ihnen lassen sich dabei von fernöstlichen Praktiken inspirieren. Warum eigentlich? Was sagt dieser Trend über unsere Gesellschaft aus? Und ist er tatsächlich ganz
ungefährlich, oder verführt er zu mehr Egoismus, Individualismus und politischer Apathie?
Genau diesen Fragen geht der Soziologe Jacob Schmidt nach. Selbst von den Versprechen der Achtsamkeitspraxis angezogen, begann er, den Trend und seine Verflechtungen mit der modernen
Gesellschaft/unserer Gegenwartsgesellschaft zu erforschen und kritisch zu hinterfragen. Achtsamkeit verspricht viel mehr, so Schmidt, als sie eigentlich zu bieten hat.
Eine wichtige Auseinandersetzung mit dem anhaltenden Achtsamkeits- und Wellnesstrend, hinter dem sich häufig wenig mehr verbirgt als kapitalismusfreundliche Selbstoptimierung, und zugleich
ein Plädoyer dafür, die gesellschaftlichen Gründe für die große Sehnsucht nach einer besseren Welt ernst zu nehmen – und etwas dagegen zu unternehmen, statt sich aufs Kissen zu
setzen.
Jacob Schmidt, geb. 1988, studierte Psychologie und Gesellschaftstheorie in Jena und schrieb seine Doktorarbeit zum Thema »Achtsamkeit als kulturelle Praxis«. Die meditative Welthaltung fasziniert ihn schon seit seiner Jugend, doch erst eine einigermaßen zufällige intensive Auseinandersetzung mit der Achtsamkeitsmeditation rückte sie in den Fokus seines wissenschaftlichen Interesses. Seitdem pendelt er zwischen der Faszination für diese besondere Welthaltung und der Überzeugung, dass es ihr, wie unserer Zeit, an einer politischen Haltung mangelt. Jacob Schmidt arbeitet als Referent für strategische Kommunikation in der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag. Er lebt seit kurzem in Würzburg.
Viel Lärm um Achtsamkeit
Oder warum es so schwer ist, in unserer Gesellschaft ein gutes Leben zu führen. Mit einem Vorwort von Hartmut Rosa
Hardcover, Pappband, 224 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-466-37315-4
Erschienen am 26. Juni 2024
€ 20,00 [D] inkl. MwSt.
€ 20,60 [A] | CHF 27,90 * (* empf. VK-Preis)
»Die Sache mit dem gelingenden Leben: Sie bleibt kompliziert.«
Achtsamkeit ist längst im Mainstream angekommen, in den Teeregalen im Supermarkt und in den Personalabteilungen der Konzerne. Millionen Deutsche meditieren regelmäßig. Das Versprechen ist verlockend: Stille und Frieden finden in unserer hektischen, schnelllebigen Zeit. Ein In-sich-Ruhen, das neue Kraft schenkt und nebenbei mitfühlender macht, konzentrierter, belastbarer.
Der Soziologe Jacob Schmidt hat den anhaltenden Trend untersucht und findet: Achtsamkeit verspricht viel mehr, als sie zu bieten hat. Sein Buch ist eine überfällige
Auseinandersetzung mit diesem schillernden Begriff, hinter dem sich häufig wenig mehr als kapitalismusfreundliche Selbstoptimierung versteckt. Zugleich fordert Schmidts Analyse heraus, die
gesellschaftlichen Gründe für die große Sehnsucht nach Ruhe und einem anderen Zusammenleben ernst zu nehmen – und für eine bessere Welt zu streiten, statt sich aufs Kissen zu setzen.
»Jacob Schmidt ist mit dieser Studie eine beeindruckende Analyse, ja ein großer Wurf gelungen.« Hartmut Rosa
Das Buch zeichnet sich durch eine analytische Klarheit und einen unverstellten Blick auf Befürworter wie Verächter von „Achtsamkeit“ aus. Dabei enttarnt Jacob Schmidt sowohl ideologische Untertöne wie auch Polemik und Heilsversprechen. Nach der Lektüre des Buchs lassen sich die kritischen Aspekte schärfer fassen und besser verstehen. Dabei kommt Schmidt am Ende zu einer leicht wohlwollenden Einschätzung dessen, was für ihn Achtsamkeit bedeutet. Letztlich geht es darum, wie am Ende in einer im Lärm gehetzten Welt das eigene Leben gut geführt werden könnte. – Ein sehr empfehlenswertes Buch für alle, die der Frage nachgehen wollen, was es mit Achtsamkeit auf sich hat und warum so viel Lärm gemacht wird. – Gert Holle, Herausgeber und leitender Redakteur von „WIR IM NETZ – Kultur und Glaube Aktuell“ / www.wirimnetz.net
Autor: Kösel Verlag; zusammengestellt von Gert Holle - 10.07.2024