9.05.2025
(Ortenberg/gho) – Es war mehr als ein Konzert. Es war ein Heimkommen, eine Zeitreise und ein leiser Triumph. Am Donnerstagabend, dem 8. Mai 2025, gastierte der sizilianische Liedermacher Pippo Pollina im Bürgerhaus Ortenberg – und das mit seinem sehr persönlichen Solo-Programm „Solo in Concerto – Nell’attimo“. Für das Publikum wurde der Abend zu einer bewegenden Retrospektive voller Musik, Erinnerung und Begegnung.
Eine musikalische Reise zurück an den Anfang
Für Pippo Pollina war das Konzert in Ortenberg eine Rückkehr zu jenem Ort, an dem seine Karriere in Deutschland quasi begann. 1997 stand er zum ersten Mal auf der kleinen Bühne des „Fresche Keller“. Was damals improvisiert begann, entwickelte sich über die Jahre zu einer musikalischen Heimat – dank Veranstaltern wie Hans Schwab und Dörthe Herrler, mit der Pollina bis heute eine enge Freundschaft verbindet. Dieses Band der Verbundenheit war an diesem Abend in jedem Ton spürbar.
Zwischen Poesie und Protest: Pollinas künstlerische Handschrift
Pollinas Musik ist mehr als Unterhaltung – sie ist Ausdruck seiner Biografie und seiner Haltung. Seine Lieder erzählen von Heimat und Verlust, von Aufbruch, Widerstand, Liebe und Freiheit. Als einstiger Journalist, der gegen die Mafia schrieb und nach dem Mord an seinem Mentor Giuseppe Fava Sizilien verließ, bringt Pollina eine Tiefe in seine Kunst ein, die das Persönliche stets mit dem Politischen verknüpft.
Ein besonders stiller Moment entstand, als er eine Passage aus seinem während der Pandemie geschriebenen ersten Roman las – ein Text, der auch seine enge Verbindung zu Deutschland und zur deutschen Sprache zum Ausdruck brachte.
Intimität auf der Bühne – Musik zum Anfassen
Mit „Nell’attimo“ – „Im Moment“ – zeigte sich Pollina so reduziert und echt wie selten: allein mit Gitarre oder am Klavier, unterstützt von Projektionen, Fotos und Filmsequenzen. Seine Hommage „A mani basse“ an Muhammad Ali bildete den eindrucksvollen Abschluss des Konzerts. Ohne Mikrofon, ganz nah bei den Zuhörenden, bewegte sich Pollina singend durch die Reihen – ein Gänsehautmoment, für den er mit stehenden Ovationen belohnt wurde.
Im Anschluss blieb er noch lange im Foyer, beantwortete Fragen, schrieb Autogramme, nahm sich Zeit. Es war ein Abend voller Nähe – auf und neben der Bühne.
Brückenbauer zwischen den Kulturen
Pollina ist ein europäischer Künstler mit sizilianischer Seele. Seine Songs überschreiten sprachliche und kulturelle Grenzen, verbinden italienische Melancholie mit deutschsprachigem Liedermachertum, südamerikanischen Rhythmen oder französischem Chanson. In Kollaborationen mit Künstlern wie Konstantin Wecker, Franco Battiato oder Inti-Illimani hat er seine musikalische Offenheit immer wieder bewiesen – ohne sich jemals vereinnahmen zu lassen.
„Die kleinen Geschichten sind oft die großen“
Pollina nutzte den Abend nicht nur für Rückblicke, sondern auch für neue Impulse. Mit feinem Humor erzählte er von seiner ersten Begegnung mit Wecker, mit eindringlichen Worten sprach er über Krieg und Frieden. Die Musik war dabei stets Mittel zur Verbindung – mit dem Publikum, mit sich selbst, mit der Welt.
Ein Geschenk an alle, die zuhören wollten
„Ich wollte dorthin zurück, wo alles begann“, sagte Pollina im Gespräch – und das war deutlich zu spüren. Was er an diesem Abend schenkte, war mehr als ein Konzert: Es war ein künstlerisches Tagebuch, offen, ehrlich, poetisch. Ein Fest des Augenblicks, das lange nachhallt.
Wer dabei war, nahm nicht nur Lieder mit nach Hause, sondern Eindrücke, Gedanken, Gefühle. „Nell’attimo“ ist kein nostalgischer Rückblick, sondern ein lebendiger Dialog – zwischen
Vergangenheit und Gegenwart, Künstler und Publikum, Musik und Leben. Pippo Pollina zeigte: Die Kraft der Lieder liegt oft in ihrer Stille – und in der Wahrheit, die sie transportieren.