26.09.2025
Sara B. kam im Oktober 2013 mit ihrem Mann, einem Kleinkind und schwanger von der Erstaufnahmeeinrichtung in Trier nach Kirchberg im Hunsrück.
Von Julia Fröder
(Kirchberg/Alexandria/jf) – „Kirchberg war mir zuerst zu ruhig“, stellt Sara B. unumwunden klar. Im Oktober 2013 kam sie mit ihrem Mann, einem Kleinkind und schwanger von der Erstaufnahmeeinrichtung in Trier in das Städtchen im Hunsrück. Gewohnt hat sie bis dahin allerdings in der fünf Millionen großen Metropole Alexandria. Doch als koptisch-orthodoxe Christen musste die Familie tagtäglich Schikanen hinnehmen und sogar um ihr Leben fürchten. Durch die Unterstützung von Haupt- und Ehrenamtlichen kann die 37-Jährige Deutschland nun als ihr Zuhause bezeichnen. Kürzlich hat sie nach einer Ausbildung als Erzieherin, anschließender Beschäftigung in einer Kita nun ihren neuen Beruf als Vertretungskraft in der Grundschule in Gemünden begonnen. „Wir haben hier einen sicheren Platz gefunden, dafür sind wir dankbar und das müssen wir nutzen“, erklärt Sara ihre Motivation neben ihrer Arbeit und dem Familienleben sich zusätzlich ehrenamtlich als Übersetzerin zu engagieren.
„Nebenbei besuche ich gerade noch die Uni in Koblenz. Die Hälfte der Module habe ich bereits abgelegt und im nächsten Jahr kann ich dann auch evangelische Religion unterrichten“, berichtet Sara stolz. In Ägypten hatte sie schon als Grundschullehrerin gearbeitet, aber „in Deutschland braucht man nicht nur ein Fach, sondern zwei.“ Das sei nicht der einzige Unterschied. „Andere Länder kennen, die bei uns üblichen langjährigen Ausbildungszeiten nicht. Hier muss immer wieder um Verständnis und Mitarbeit geworben werden“, weiß Pastoralreferentin Anna Werle aus ihrer Arbeit mit Geflüchteten. „Bei uns muss man fünf Jahre lange eine Ausbildung machen.“ Dies sei schon schwierig zu vermitteln. Doch Sara hat sich davon nicht beirren lassen. „Ich arbeite gerne mit Kindern, und ich wollte auf jeden Fall meine Deutschkenntnisse verbessern, daher habe ich eine Ausbildung als Erzieherin begonnen“, erklärt Sara. Doch sie liebäugelte weiterhin mit ihrem eigentlichen Beruf. „Das hat mich nicht losgelassen.“ Daher entschloss sie sich, diesen Weg weiterzuverfolgen. Dass sie als Zweitfach evangelische Religion gewählt hat, kommt nicht von ungefähr. Der christliche Glaube ist ihr und ihrer Familie sehr wichtig und war auch der Grund zur Flucht nach Deutschland. In Ägypten fühlten sie sich nicht sicher. „Meiner Schwester wurden im Bus die Haare von einer anderen Frau abgeschnitten, weil sie kein Kopftuch trug“, berichtet die Mutter von mittlerweile drei Kindern. Das sei eine alltägliche Episode, weitere Schikanen gäbe es auf dem Arbeitsmarkt oder auch im Privatleben, trotz gesetzlicher Religionsfreiheit.
Von ihrem bewegten Leben in Ägypten hat Sara auch Jugendlichen berichtet, die sich auf das Sakrament der Firmung vorbereitet haben. „Es ist den Menschen hier gar nicht so bewusst, dass sie in Freiheit leben und ihren Glauben zeigen können“, bemerkt Sara. „Das hat die jungen Frauen und Männer sehr berührt“, schaut Pastoralreferentin Anna Werle zurück, die den Kontakt vermittelt hatte.
„Sie haben uns Liebe geschenkt.“
Geholfen haben Sara und ihrer Familie, ihr Mann hat bei einer ortsansässigen Firma eine Ausbildung als Logistiker gemacht, vor allem der Kontakt zu anderen Menschen, insbesondere der Austausch mit der katholischen Seelsorgerin Werle und dem Ehrenamtlichen Johannes Krisinger. „Sie haben uns in unserem kleinen Zimmer besucht, mit uns Formulare ausgefüllt und uns zu wichtigen Terminen begleitet. Doch sie haben uns auch Liebe geschenkt“, betont Sara. „Ich habe Geflüchtete auch zu Anhörungen bei Gerichten begleitet“, berichtet Krisinger von seinem jahrelangen Engagement. „Die Einzelschicksale waren sehr berührend“, so der 78-Jährige. Doch ihn bereichere sein Ehrenamt. „Das gehört zu meinem Leben und zu meiner Christlichkeit. Wenn ich helfen kann, dann helfe ich“, so der ehemalige Forstbeamte, der die Abläufe innerhalb einer Verwaltung aus seinem eigenen Berufsleben kennt. Neben dieser sehr persönlichen und individuellen Hilfe, „war es uns, also Behörden und den Kirchen, in der Anfangszeit besonders wichtig, Begegnungsräume zu schaffen, wo sich ratsuchende Geflüchtete mit Haupt- und Ehrenamtlichen austauschen und weiterhelfen konnten“, so Werle. Es sei ihr ein Anliegen, „dass wir hier ein gutes Klima haben. Denn beide Seiten können voneinander profitieren.“ Neben diesen Unterstützungsangeboten haben Sara und ihre Familie eine große Eigeninitiative gezeigt. „Wir haben gezielt Gottesdienste besucht, um Menschen kennenzulernen und unseren Glauben zu leben.“ Es hat funktioniert, nach etwa zehn Monaten hat sie beschlossen, nur noch Deutsch zu sprechen.
Sara ist mit ihrer Familie mittlerweile ganz im Hunsrück angekommen; sie haben sogar in einem Nachbarort von Kirchberg ein eigenes Haus gebaut. „Dort ist es noch ruhiger“, sagt Sara lachend. Doch sie möchte nicht mehr in eine Großstadt, sie mag es nun ruhig. In Ägypten waren sie noch einmal seit ihrer Flucht, aber als Touristen in Hurghada. „Denn der Hunsrück ist unsere Heimat geworden.“
Vom 28. September bis 5. Oktober findet die „Woche der katholischen Flüchtlingshilfe“ statt. Hintergrund ist, dass sich im Herbst zum zehnten Mal die Gründung der katholischen Flüchtlingshilfe auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz jährt.