Mensch vorrangig

Foto: Michael Guist
Foto: Michael Guist

24.07.2025

 

Ein Christ blickt über seine Mauer

in seines Nachbarn Garten rein.

Das, was er sieht, es stimmt ihn sauer:

So etwas soll ein Garten sein?

 

Dort sieht man Moos und Disteln sprießen

im Gras und selbst im Blumenbeet!

Auch manches andre kann verdrießen

(zumal, wenn wer auf Ordnung steht).

 

So wird der Nachbar angesprochen:

(Na immerhin, er hat den Mut!)

„Sie haben da seit vielen Wochen

nur Unkraut stehn, das ist nicht gut!“

 

Der Nachbar zeigt sich recht betroffen:

Er würde gern, vielleicht schon bald,

das Unkraut jäten, möchte er hoffen…

Nun weint er fast! Der Christ bleibt kalt.

 

Er weiß es längst und muss nicht fragen:

Der Nachbar pflegt in seinem Haus

die alte Mutter – ohne Klagen! –

drum schauts bei ihm so schlampig aus! –

 

Wen diese Zeilen nun bewegen,

der lerne, dass es Christen gibt,

die lieber Beet und Rasen pflegen,

als kranke Menschen, die man liebt!

 

Doch lerne er nun nicht das eine:

Zu jäten sei die höhre Pflicht.

Ein Garten bleibt ganz gern alleine –

Für kranke Menschen gilt das nicht!

 

 

Autor: Manfred Günther; Foto: Michael Guist


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