Österreichs Zentralbank spricht Klartext

Vorbildfunktion: Oesterreichische Nationalbank vereinfacht Sprache ihres Geschäftsberichts

Gebäude der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) / Oesterreichische Nationalbank (OeNB)
Gebäude der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) / Oesterreichische Nationalbank (OeNB)

17.04.2024

 

(München/wl) - Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) hat ihren neuen Geschäftsbericht deutlich vereinfacht und um rund 60 Seiten gekürzt. Die Zentralbank will damit transparenter informieren. Das trägt zum öffentlichen Vertrauen in die Wirtschaft und Finanzwelt bei. WORTLIGA bestätigte in einer Analyse für die OeNB den Erfolg des Projekts. Die Ergebnisse lassen sich in den kommenden Jahren aber noch verbessern.

Ein Textausschnitt aus dem Geschäftsbericht 2023 (links) neben einer Überarbeitung mit KI-Unterstützung (rechts). Die Satzlänge ließ sich im Test weiter senken, während die Wortanzahl gleich blieb. Auch noch mehr schwer verständliche Begriffe konnten wir in unserem Test ersetzen. / WORTLIGA 

Das Wichtigste:

 

 

  • Wort- und Seitenanzahl des OeNB-Geschäftsberichts 2023 wurden deutlich reduziert.
  • Die durchschnittliche Satzlänge wurde von 20 auf 15 Wörter verringert.
  • Die Lesbarkeit des Berichts hat sich um 86 Prozent verbessert.
  • Das Sprachniveau des Berichts wurde von C2 auf C1 abgesenkt.
  • Künstliche Intelligenz könnte die Verständlichkeit weiter verbessern.
Länge der der OeNB-Geschäftsberichte seit 2020 / WORTLIGA
Länge der der OeNB-Geschäftsberichte seit 2020 / WORTLIGA

Prüfer der WORTLIGA bestätigen Erfolg des Klartext-Projekts

 

 

Der Schritt der OeNB fügt sich in eine Reihe von Aktionen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten ein, um die Transparenz der Finanzwelt zu stärken. Zuletzt hatte die EU Versicherungen verpflichtet, über ihre finanzielle Lage verständlicher zu berichten (WORTLIGA berichtete: https://wortliga.de/versicherer-sollen-verstaendlicher-informieren-solvency-ii/). Die WORTLIGA prüfte wenige Wochen nach Erscheinen des Geschäftsberichts 2023 die Maßnahmen der OeNB und bestätigt ihre Bestrebungen. Der Software-Hersteller für verständliche Sprache gibt aber auch Hinweise auf dunkle Flecken in der neuen Politik der Transparenz.

Lesbarkeit der OeNB-Geschäftsberichte seit 2020 / WORTLIGA
Lesbarkeit der OeNB-Geschäftsberichte seit 2020 / WORTLIGA

So optimierte die Zentralbank ihren Finanzbericht

Ein Team der Zentralbank koordinierte die Vereinfachung des Geschäftsberichts. Anschließend übernahm ein Fachlektorat die Überarbeitung des Dokuments. Zur Vereinfachung des Berichts kürzte das Lektorat das Dokument um über 49 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, von 30.500 Wörtern auf 15.500 Wörter. Die ursprüngliche Fassung des Geschäftsberichts 2023 hatte rund 160 Seiten – nach dem Lektorat waren es nur noch rund 100 Seiten. Das gab Ingrid Haussteiner gegenüber WORTLIGA an – Haussteiner ist die verantwortliche Mitarbeiterin für die Vereinfachung des Berichts bei der Oesterreichischen Nationalbank.

Auch den Satzbau ihres Berichts hat die Zentralbank verschlankt. So liegt die durchschnittliche Satzlänge des neuen Geschäftsberichts bei rund 15 Wörtern pro Satz. Der Bericht des Vorjahrs mutete Lesern noch durchschnittlich 20 Wörter pro Satz zu.

Die Verständlichkeit des jüngsten Geschäftsberichts stieg um rund 86 Prozent im Vergleich zum Vorjahr: Der Jahresbericht 2022 hatte noch eine sehr schlechte Lesbarkeit von 17,75 Punkten (auf einer Skala von 0 bis 100), während der Geschäftsbericht 2023 mit einer Lesbarkeit von 33 Punkten deutlich verständlicher ist. 

 

 

 

Zentralbank macht das Sprachniveau ihres Berichts um eine Stufe verständlicher

Die Analyse ergab zudem, dass das Sprachniveau des neuen Berichts erstmals auf C1-Niveau liegt, statt auf dem schwierigeren C2-Niveau der Vorjahre. Optimal wäre jedoch ein Sprachniveau zwischen B1 und B2, das deutlich mehr Menschen verstehen.

„Wir hoffen, dass mehr Autoritäten und oberste Stellen dem guten Beispiel der Zentralbank Österreichs folgen. Vorstöße wie dieser sind große Fortschritte für mehr Klarheit und Transparenz in unser aller Leben und Arbeit“, sagt Gidon Wagner von WORTLIGA.

 

Test: KI könnte Verständlichkeit weiter verbessern und dem Lektorat Zeit sparen

Die Verständlichkeit des neuen Berichts ist besser geworden. Trotzdem ist der Geschäftsbericht noch vergleichsweise schwer zu lesen und zu verstehen. Mit weiteren Verbesserungen könnten die Berichte noch verständlicher gemacht werden. KI kann den großen zeitlichen Aufwand dafür deutlich senken. Das zeigt das folgende Beispiel (siehe Anlage). In rund 15 Minuten Arbeitszeit vereinfachten Prüfer der WORTLIGA einen Abschnitt des neuen Berichts und hoben die Verständlichkeit weiter an.

 

Vereinfachung hat weitreichenden gesellschaftlichen Nutzen

 

 

„Auch den neuen, deutlich vereinfachten Geschäftsbericht der Oesterreichischen Zentralbank werden nur relativ wenige Menschen lesen. Leichter verständliche Informationen von oberster Stelle wirken sich dennoch aus“, sagt Gidon Wagner. „So können etwa Journalisten und andere Multiplikatoren mit weniger Aufwand in Klartext über die Inhalte berichten. Geschäftliche Informationen und Pressemeldungen sind oft in Fachsprache gehalten und schwer verständlich formuliert. Das macht es selbst Medien wie der Tagesschau schwer, verständlich darüber zu berichten. Der Vorstoß der OeNB ist ein wichtiger Schritt zu mehr Klarheit in Gesellschaft, Beruf und Privatleben.“

 

Über WORTLIGA


Die WORTLIGA ist bekannt für ihr kostenloses Online-Tool zur Textanalyse und ihr KI-Übersetzungstool "Plain" für verständliche Sprache. Organisationen wie die Gesellschaft für deutsche Sprache e.V., angesiedelt im Deutschen Bundestag, sowie der AOK-Bundesverband und der TÜV Rheinland empfehlen die WORTLIGA-Technologie. Den Analysen der WORTLIGA vertrauen unter anderem große Unternehmen wie die Generali Deutschland AG oder Institutionen wie die Tagesschau.