1300 JAHRE REICHENAU – WELTKULTURERBE MITTELALTER

Ausstellung vom 20. April - 20. Oktober 2024

Luftaufnahme Reichenau. Bildrechte:Tourist-Information-Reichenau.-Foto:Achim Mende
Luftaufnahme Reichenau. Bildrechte:Tourist-Information-Reichenau.-Foto:Achim Mende

17.03.2024

 

(Konstanz/ Mistendorf/ cab/ar) - Vom 20. April bis 20. Oktober 2024 sind das Archäologische Landesmuseum Baden-Württemberg in Konstanz und die Insel Reichenau die Schauplätze der Großen Landesausstellung 2024 „Welterbe des Mittelalters - 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“, die vom Badischen Landesmuseum ausgerichtet wird.

 

Die Hauptwerke der Reichenauer Handschriften wurden 2003 als „kulturgeschichtlich einzigartige Dokumente, die exemplarisch das kollektive Gedächtnis der Menschheit repräsentieren“ zum UNESCO-Weltdokumentenerbe ernannt.  

 

Einige der kostbarsten Leihgaben stammen aus St. Gallen, Zürich, Köln, Aachen, St. Paul im Lavanttal, Heidelberg und Paris.

 

Anlässlich des Jubiläums „1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“ führt das Badische Landesmuseum diese einmaligen und kostbaren Kunstwerke erstmals seit Jahrzehnten in diesem Umfang wieder am Bodensee zusammen. In einer der spektakulärsten Sonderausstellungen Europas entsteht am Benediktinerplatz in Konstanz eine beispiellose Schatzkammer der Kultur- und Zeitgeschichte.

Insel Reichenau: St. Georg. Foto: Theo Keller
Insel Reichenau: St. Georg. Foto: Theo Keller

 

 

Das Königskloster Reichenau war eines der innovativsten kulturellen und politischen Zentren des Reiches und besaß im 10. und 11. Jahrhundert eine einflussreiche Malschule. Lange vor der Erfindung des Buchdrucks galt das Kloster als einer der größten europäischen Wissensspeicher und Impulsgeber. Bereits im Jahr 2000 wurde die „Klosterinsel Reichenau“ in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen.

Im Reichenauer Skriptorium entstanden einige der wertvollsten Prachthandschriften der Welt. Im Auftrag der mächtigen Kaiser, Könige und Reichsbischöfe schufen die Mönche Kunstwerke, deren Vollkommenheit und Schönheit noch heute faszinieren.

Die Ausstellung im Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg in Konstanz lässt die faszinierende Geschichte der Abtei durch herausragende Kunstwerke lebendig werden. Ein besonderes Highlight sind die prachtvollen Handschriften aus dem Reichenauer Skriptorium, die erstmals in diesem Umfang für eine Ausstellung am Bodensee zusammengeführt werden. Die reiche monastische Kulturlandschaft an Bodensee und Hochrhein wird dabei ebenso in den Blick genommen, wie die Lebensbedingungen der Mönche.

 

Die wertvollen Leihgaben der Großen Landesausstellung stammen aus den bedeutenden Sammlungen und Beständen der Projektpartner. Sie werden ergänzt durch zahlreiche kostbare nationale und internationale Leihgaben, um das Phänomen der Klosterinsel ebenso wie das mittelalterliche Leben wieder erlebbar zu machen.

 

 

 

„Cod. Karlsruhe 504“ – benediktinisches Wissen kompakt

 

Er wurde 1008 von Kaiser Heinrich II. zum Abt des Klosters Reichenau ernannt und galt für viele Zeitgenossen als einer der wichtigsten Äbte des Kloster Reichenau. 1013 konnte er das Kaiserpaar Heinrich II. und Kunigunde zu ihrer Kaiserkrönung nach Rom begleiten. Unter seiner Leitung erlebte das Kloster mit seinem benediktinischen Netzwerk eine wissenschaftliche und wirtschaftliche Blüte: Abt Bern von Reichenau. Er stammt aus der bedeutenden Dynastie der Grafen von Althausen-Veringen. Als einflussreicher Universalgelehrter war er maßgeblich daran beteiligt, das bis dahin nur in arabischer Alphabetschrift vorhandene Wissen der Mathematik und Astronomie zu übertragen und anzuwenden. Trotz seiner körperlichen Behinderung schuf er herausragende Werke auf den Gebieten der Geschichtsschreibung, geistlichen Dichtung, Musik und Arithmetik. Von ihm stammt der astronomische Begriff Almukantarat. Noch heute zählt er, der von den Chronisten als „Wunder des Jahrhunderts“ bezeichnet wurde, zu den einflussreichsten klösterlichen Gelehrten des Mittelalters:

Hermann der Lahme

 

Für „Hermannus Contractus“, wie man Hermann den Lahmen nannte, war Abt Bern Lehrer und Förderer zugleich. Unter beider Federführung entstanden im Skriptorium des Klosters Reichenau einzigartige Musikhandschriften, Kompositionen und wissenschaftliche Abhandlungen. Einige dieser Texte, Abschriften und Abhandlungen, formen das Herzstück der heute als „Cod. Karlsruhe 504“ bezeichneten Handschrift, die in der Badischen Landesbibliothek zu Karlsruhe aufbewahrt wird. Berns „Prologus in tonarium“ bildet ebenso wie die Analen des Kloster Michaelsberg, die wissenschaftlichen Texte und Zeichnungen von Hermann und Auszüge von Guido von Arezzos Abhandlung über die Regeln der musikalischen Kunst den Kern dieses Sammelwerkes. Diese besondere Handschrift war Teil der berühmten Bibliothek des Klosters Michaelsberg zu Bamberg. Kaiser Heinrich II. stiftete 1007 das Bistum Bamberg und setze seinen Kanzler Eberhard von Abenberg als Bischof ein. Die Bibliothek des 1015 gegründeten Benediktinerkloster St. Michael wurde durch das Kaiserpaar Heinrich II. und Kunigunde mit wertvollen Handschriften, Evangelien und wissenschaftlichen Werken ausgestattet. Sie stammten aus den berühmten Skriptorien ihres ottonischen Kaiserreichs und gaben dieser Klosterbibliothek seine große Bedeutung im Reich. Der „Cod. Karlsruhe 504“ sorgte zudem für einen wichtigen Wissenstransfer zwischen dem Bodenseeraum und der neuen Kaisermetropole Bamberg.

 

 

Benediktsregel – mehr als "Ora et labora"

 

Er gilt als der Begründer des Mönchtums in Westeuropa, wurde 480 in den Abruzzen, bei Nursia, geboren und verstarb 547 in dem von ihm gegründeten Kloster Montecassino:

 

Benedikt von Nursia.

Der erst im Jahr 1964 heiliggesprochene Patron Europas, ist seit 1500 Jahren ein herausragendes Vorbild für Mönche und Nonnen. Die weltweit über 500 benediktinischen Klöster sehen in seiner Mönchsregel „Regula sancti Benedicti“ eine immer noch gültige Anleitung zum Leben in klösterlicher Gemeinschaft. Es orientieren sich ebenso sehr viele andere christliche Orden an diesem zeitlosen und durchdachten Regelwerk, das auch eine Wertegrundlage vieler gläubiger Christen ist. Die Benediktsregel ist ebenso wie die 500 Jahre ältere Bibel inzwischen uralt. Sie stammt aus einer Welt, die uns fremd geworden scheint, aber dennoch viel Respekt und Anwendung in unserer Gegenwart erfährt. Den Sinn seiner nahezu 1.500 Jahre alten Klosterregel beschreibt Benedikt so treffend, wie möglich: sie soll das Leben der Mönche regeln. Wenn auch sehr häufig das Zitat „ora et labora“ im Zusammenhang mit dem Regelwerk Benedikts verwendet wird, sind viele wichtige und aufschlussreiche Themenbereiche in seinen 73 Kapiteln enthalten.

Vom ersten Kapitel „die Arten der Mönche“ bis zum 73. Kapitel „die Regel als Anfang unseres Weges zur vollen Gerechtigkeit“ reichen die Maßgaben und Aufgaben des monastischen Lebens. Sie beinhalten sowohl „die Fastenzeit“, „den Gehorsam“, „das Maß der Speise und Getränks“, als auch „die Bußen für Unpünktlichkeit“, „Brüder auf Reisen“, „Mönche als Handwerker“ und besonders „die Ausschließung bei schweren Verfehlungen“.

Auch wenn Benedikts Regelwerk ursprünglich als Handreichung für das von ihm auf dem Monte Casino geründete Kloster gedacht war, funktionierte es so wirkungsvoll, dass es Kaiser Ludwig der Fromme 816 verbindlich für alle Reichsklöster der Karolinger verordnen ließ.

 

 

 

Wer heute an Regeln denkt, hat die geltenden Gesetze vor Augen. Und wer heute die Benediktsregel vor diesem Hintergrund studiert, wird dort weit mehr als ein starres Werk an Weisungen und Unterlassungen vorfinden. Es ist das „Corporate Identity“ Benedikts, das uns nach 1500 Jahren immer noch fasziniert. Das aus der Stiftsbibliothek St. Gallen stammende Original ist die älteste erhaltene Handschrift der Benediktsregel und bringt einen ganz besonderen Augenblick der Weltgeschichte in die Große Landesausstellung.


Mönchsgeflüster – ein Geschichtspodcast über Liebe, Latein und Leben im Kloster (Der Podcast zur Großen Landesausstellung „Welterbe des Mittelalters – 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“)

 

(Karlsruhe/cab) – Warum wurden Klöster oft auf Inseln gegründet? Führten Klöster eigentlich Kriege? Und gab es innerhalb der Klostermauern auch gleichgeschlechtliche Liebe? Ab dem 20. November startet das Badische Landesmuseum mit seinem neuen Podcast „Mönchsgeflüster“. Geschichts-interessierte und Mittelalter-Fans können sich damit bereits auf die Große Landesausstellung „Welterbe des Mittelalters – 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“ in Konstanz und auf der Insel Reichenau vorbereiten. Bis zur Eröffnung der spektakulären Sonderausstellung im April erscheint wöchent-lich eine neue Folge. Im Themen-Mix aus packenden Informationen, wichtigen Fakten und anschaulichen Geschichten rund um das Klosterleben steht immer wieder das Kloster Reichenau selbst im Fokus, das eines der bedeutendsten kulturellen und politischen Zentren Europas war. Die Episoden sind über alle gängigen Podcast-Plattformen und die Ausstellungswebseite ausstellung-reichenau.de abrufbar. „Es gibt wenige Podcasts in Deutschland, die sich ausschließlich mit dem Mittelalter beschäftigen. In Mönchsgeflüster geht es um die ganz grund-legenden und praktischen Fragen zur Klostergeschichte, die jede und jeden Mittelalter-Interessierten abholen. Wir klären, wie ein Kloster aufgebaut war, wie sich das Leben der Mönche von dem der Nonnen unterschied oder wie innerhalb der eigenen Reihen zum Beispiel mit Kranken umgegangen wurde“, so Marvin Gedigk, Podcaster und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt-team zur Großen Landesausstellung.

Unterstützt wird der Mittelalter-Spezialist in den 25-minütigen Folgen von international renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die ihr Expertenwissen an die Hörerinnen und Hörer weitergeben. So spricht Gedigk mit dem Geschäftsführer der Klosterbaustelle des Campus Galli oder mit Koryphäen von Universitäten in Konstanz, Bremen, Dublin oder New York. Dabei kommen auch ganz unterschiedliche Forschungsrichtungen und neue Perspektiven zu Tage.

„Jede Episode ist eine Einladung, hinter die Mauern der einstigen Klöster Europas zu blicken. Der Podcast kann übrigens ganz wunderbar auf der Fahrt nach Konstanz und die Insel gehört werden, um sich auf das kulturelle Highlight am Bodensee einzustimmen“, freut sich Gedigk.

 

„Mönchgeflüster – Klostergeschichten aus dem Mittelalter“ Der Podcast zur Großen Landesausstellung „Welterbe des Mittelalters – 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“

 

seit Montag, 20. November abrufbar www.ausstellung-reichenau.de und Podcast-Plattformen