Die weltpolitische Lage hat sich verdunkelt. Das hat Auswirkungen auf das Zusammenleben in Deutschland und die Interreligiöse Begegnung. Sind Religionen dabei Brandstifter oder Schlichter? Um diese Frage ist es im Vortrag in der Stadtbibliothek Trier gegangen.
21.07.2024
Von Rolf Lorig/Paulinus Wochenzeitung im Bistum Trier
(Trier/rl/bt) - Dr. Dennis Halft verwaltet den Lehrstuhl für Abrahamitische Religionen mit Schwerpunkt Islam und interreligiöser Dialog an der Theologischen Fakultät Trier. Ehrenamtlich leitet er das Emil-Frank-Institut. Mit Blick auf die Biografie des von den Nazis getöteten Wittlicher Kaufmanns Emil Frank erklärte er in seiner Einführung zum Vortrag, er betrachte das Ergebnis der jüngsten EU-Wahl mit Sorge: Viele Länder seien nach rechts gerückt, was zur erheblichen Gefährdung des europäischen Gedankens eines Miteinanders führen könne.
Eine Sorge, die die muslimische Theologin und Juristin Dr. Hamideh Mohagheghi teilt. Folge man der öffentlichen Meinung, tragen die Muslime die größte Schuld an dieser Entwicklung. Das Emil-Frank-Institut Wittlich in Zusammenarbeit mit der Theologischen Fakultät Trier, AG Frieden, Katholischer Erwachsenenbildung und Stadt Trier hatten der Referentin die Möglichkeit der Darstellung einer muslimischen Perspektive gegeben mit der Wahl des Vortragstitels: „Interreligiöser Dialog in Krisenzeiten. Religionen als Brandstifter oder Schlichter?“.
Hamideh Mohagheghi legte gleich den Finger in die Wunde: Jede Religion erhebe den Anspruch auf die einzige Wahrheit, stellte sie fest. Das eigentliche Problem entstehe erst, wenn Men[1]schen glaubten, andere von dieser einzigen Wahrheit überzeugen zu müssen. Von daher lasse es sich nicht leugnen, dass Religionen als Brandstifter fungierten. Der Ausweg liege im Dialog auf Augenhöhe. Indem man mit dem jeweils anderen spreche, ihm zuhöre und mit Respekt begegne.
Missionierung fehl am Platz
Jegliche Missionierung sei fehl am Platz und kontraproduktiv. „Je fester der Mensch im eigenen Glauben ist, desto weniger muss er fürchten, sich selbst und seinen Glauben zu verlieren.“ Eine wichtige Voraussetzung für einen konstruktiven interreligiösen Dialog sieht die muslimische Theologin in der Empathie, die auch die Bereitschaft zur eigenen Verletzlichkeit zulassen sollte.
Dazu brauche es die erforderliche Aufmerksamkeit und den Willen, im eigenen Kopf aufzuräumen, „um Raum für neues Denken zu schaffen“. Die jeweiligen Religionen seien keine Subjekte. Es seien immer Menschen, die die Inhalte der Religionen in den Quellen lesen und sie interpretieren. „Die Quellen beinhalten sowohl friedensstiftende Weisungen als auch gewalttätige Inhalte.“ Es komme auf deren Lesart und Verständnis an.
Missionarischem Eifer erteilte die Rednerin eine klare Absage: „Die Worte ‚Einsicht‘ und ‚Vernunft‘ werden im Koran oft verwendet. Damit sind die Menschen eindringlich ermahnt, ihren Verstand einzusetzen und das Wort nicht einfach zu übernehmen.“ Der Mensch solle nicht den Anspruch übernehmen, alles verstanden zu haben, was Gott sagen will. Streitgespräche seien geboten, um miteinander um Glaubensschätze zu ringen.
Argumentativ, leidenschaftlich und mit Respekt
„Der Streit in bester Art ist argumentativ, leidenschaftlich, mit Achtung und Respekt verbunden.“ Es gehe darum, „wie die Religion dem Leben Sinn und Halt gibt, wie der Glaube uns herausfordert“. Gerade in Krisenzeiten seien die Früchte von Interreligiösen Gesprächen wertvoll, die durch vertrauensvolles Miteinander erst entstehen können. Es gebe keine Alternative zum Dialog, der Probleme mit Weisheit, Geduld und Gelassenheit überwinden könne.